Freitag, 20. Juni 2025

23040-23049

wan er begunde enpfâhen

den süezen werdeclîche.

sîn muot was fröudenrîche

von sîner kunft, des bin ich wer,

nû daz Helêne kam dort her

geriten mit Pârîse.

nû si Prîant der wîse

und al sîn hofgesinde sach,

weizgot, dô dâhte er unde jach,

daz er nie wîp gesæhe


und so war er es, 

der den Süßen, Edlen in Empfang nahm.

Voll von Freuden war sein Gemüt

durch dessen Ankunft, das kann ich garantieren,

als nun Helena dort mit Paris

herangeritten kam.

Als nun der weise Priamus

und seine Hofgesellschaft sie sahen,

weißgott, da dachte er und bekannte,

dass er nie eine Frau gesehen habe, 

Donnerstag, 19. Juni 2025

23030-23039

beswærde und aller sorgen vrî

si bêde fuoren dannen.

Prîant mit sînen mannen

von ir künfte wart gemeit.

drî mîle er in engegen reit

mit rittern und mit frouwen.

Pârîsen liez er schouwen

und wolte in werden lân gewar,

daz in sîn ougen liehtgevar

gar willeclichen sâhen,


Frei von Kummer und Sorgen

zogen die beiden davon.

Priamus und seine Männer

waren über ihre Ankunft froh.

Drei Meilen ritt er ihnen entgegen,

mit Rittern und mit Damen.

Er zeigte Paris

und wollte auch, dass er das merkte,

dass ihn Priamus’ strahlende Augen

sehr gerne und bereitwillig sahen,

Mittwoch, 18. Juni 2025

23020-23029

ros unde wunneclîchiu phert

diu wâren in bereit zehant,

wan si wolten über lant

ze Troie bî den zîten

von dannen gerne rîten.

Ouch het Helêne ir bestiu cleit

des mâles an ir lîp geleit

und was gezieret alsô wol,

daz man gesehen niemer sol

ein wîp, diu baz gegestet sî.


Streitrösser und schöne Pferde

wurden ihnen sogleich bereitgestellt,

denn sie wollten dann gerne

von dort gleich

über Land nach Troja reiten.

Auch hatte Helena nun

ihre besten Kleider angezogen

und war so gut zurechtgemacht,

dass man nie wieder eine Frau 

wird sehen können, die sich besser schick gemacht hat.

Dienstag, 17. Juni 2025

23010-23019

ir blicke fuoren tougen

dar unde dan, hin unde her.

si truogen herzeclîche ger

z’ein ander ûf dem wilden sê.

sus wâren si, waz sol des mê,

ze Troie komen schiere.

nû si die lantriviere

mit der gesihte ruorten,

ir kiele si dô fuorten

frœlichen hin ze stade wert.


Ihre Blicke wanderten heimlich

dahin und dorthin – hin und her.

Auf dem wilden Meer

begehrten sie einander von Herzen, 

Auf diese Weise waren sie, um es nicht zu lang zu machen,

bald nach Troja gekommen.

Als nun ihre Blicke 

das Land trafen, 

führten sie ihre Schiffe

fröhlich hin zum guten Landeplatz. 

Montag, 16. Juni 2025

23000-23009

güetlîche und minneclichen an. 

In was vil herzeclichen wol.

si wâren hôher wunne vol

des nahtes worden beide,

dâ von ir ougenweide

wart süeze in manige wîse.

Helêne wart Pârîse

ein glanzer spiegel ûz erkorn:

Pârîs enwas ouch niht ein dorn

Helênen in ir ougen.


freundlich und liebevoll an.

Es ging ihnen hervorragend,

war doch ihnen beiden 

in der Nacht hohe Lust zuteil geworden,

sodass ihre Blicke, die sich am Gegenüber weideten,

in vielerlei Weise süß geworden waren. 

Für Paris war Helena

ein hervorragender, glänzender Spiegel;

und Paris war auch nicht gerade 

ein Dorn in Helenas Augen.

Freitag, 6. Juni 2025

22990-22999

si vuoren frœlich unde frô

von dannen gegen Troie sît

und kômen bî der tagezît

schier unde snelleclîche dar.

Pârîs nam ûf der verte war

der frouwen sîn vil dicke.

mit mangem ougenblicke

begunde er warten ûf ir lîp,

dâ wider sach daz schœne wîp

den werden hôchgelopten man


Sie fuhren dann fröhlich und glücklich

weiter nach Troja 

und kamen bald und schnell, 

noch vor Einbruch der Nacht, dorthin.

Immer wieder betrachtete Paris auf der Fahrt

seine Dame.

Mit vielen Blicken

beobachtete er ihren Körper

und die schöne Frau wiederum 

schaute den hochgelobten Mann  

Donnerstag, 5. Juni 2025

22980-22989

in fröuden lâgen si die naht

biz an den liehten morgen.

ir trûren wart verborgen

und swaz in leides ie geschach.

nû daz der morgen ûf gebrach

und der wunneclîche tac,

Pârîs dô langer niht enlac,

noch Helenâ diu guote.

mit fröudenrîchem muote

giengen si ze schiffe dô.


Freudvoll verbrachten sie die Nacht

bis an den hellen Morgen.

Ihre Traurigkeit wurde verhüllt und verdeckt

und auch alles, was ihnen je an Leid geschehen war.

Als nun der Morgen 

und der schöne Tag anbrach,

blieben weder Paris noch die treffliche Helena

länger liegen.

Wohlgemut und freudig

gingen sie dann zum Schiff.

Mittwoch, 4. Juni 2025

22970-22979

zerstœret, ob er wolte

Helênen z’einem wîbe hân.

ê daz er hæte si verlân

und er ir wolte hân verborn,

sîn lant daz hæte er ê verlorn

und alle sîne mâge.

er liez ûf einer wâge

Troi unde sîne friunde sîn,

und lepte er bî der künigîn

mit hôher wunne manger slaht.


zerstört werden würde, wenn er

Helena zur Frau haben wollte.

Ehe er sie verlassen

und aufgegeben hätte,

hätte er lieber sein Land verloren

und alle seine Verwandten.

Er setzte Troja und seine Freunde

aufs Spiel,

indem er mit der Königin zusammen lebte, 

was ihn sehr glücklich machte und ihm vielfältige Annehmlichkeiten bescherte. 

Dienstag, 3. Juni 2025

22960-22969

diu was vil gar zergangen,

wan si dâ volle fröude vant.

man unde kint, liut unde lant

lie si dâ z’einer hende gân

und wolte lützel ahte hân

ir êren unde ir guotes.

ouch wart Pârîs des muotes,

daz er dekeine swære entsaz.

sîn herze des vil gar vergaz,

daz Troie werden solte


der war nun ganz verwunden,

weil sie dort vollkommene Freude fand. 

Mann und Kind, Leute und Land,

überließ sie dort einer Hand

und sie kümmerte sich wenig

um ihr Ansehen und ihren Besitz.

Zudem kam es Paris gar nicht in den Sinn,

irgendwelche Nöte und Entbehrungen zu befürchten.

In seinem Herzen war völlig in Vergessenheit geraten,

dass Troja 

Montag, 2. Juni 2025

22950-22959

die manicvalten wünne,

die si dâ funden beide.

swer ie nâch herzeleide

liep unde fröude an sich gelas,

der mac wol wizzen, daz in was

wol unde sanfte bî der zît.

si fröuten sich enwiderstrît

und wart ir trûren cleine.

swaz Helenâ diu reine

verlüste hete enpfangen,


zum Ausdruck bringen könnte,

die den beiden dort zuteil wurden.

Alle, die einmal nach großem Leid

Vergnügen und Freude gefunden haben,

die wissen genau, dass es den beiden damals

gut erging und es ihnen angenehm war. 

Sie freuten sich miteinander um die Wette

und ihre Traurigkeit schwand dahin.

All den Verlust, den die makellose Helena 

zu erleiden gehabt hatte,