Donnerstag, 13. März 2025

22570-22579

den bluomen aller frouwen.

Waz touc hie lange tegedinc?

Pârîs der hübsche jungelinc

ze Tenadôn hielt grôz gemach,

wan daz er strengez jâmer sach

an der küniginne rîch.

si tet benamen dem gelîch,

daz si betrüebet wære.

si kunde clagende swære

den gesten wol erscheinen,


zu sehen bekommen würden. 

Was soll man groß dazu sagen?

Paris, der höfische junge Mann,

hatte es in Tenadon sehr bequem und angenehm,

nur sah er, dass die mächtige Königin

in großem Leid versank.

Sie verhielt sich so wie jemand,

der traurig ist.

Sie präsentierte sich den reisenden Kriegern

klagend und freudlos, 

Mittwoch, 12. März 2025

22560-22569

daz er wære bî den tagen

mit êren kumen in daz lant

und daz er hôhen prîsant

mit im gevüeret hæte,

wan Helenâ diu stæte

diu kæme dâ mit im gezoget.

des mæres wart des landes voget

und alle die von Troie geil.

si dûhte gar ein hôhez heil,

daz si dâ solten schouwen


dass er soeben glücklich und ruhmreich

in das Land gekommen sei

und dass er ein edles Präsent

bei sich habe,

weil die untadelige Helena 

mit ihm ins Land komme.

Über diese Nachricht freuten sich 

der Landesherrscher und alle Trojaner.

Sie empfandes es als großes Glück,

dass sie dort die Blume aller edlen Frauen

Dienstag, 11. März 2025

22550-22559

und ruowen gerne wolten

nâch ir verte kumberlich.

die geste nider liezen sich

mit hôher wunne krefte.

in wart von wirtschefte

gebrâten wunder und gesoten.

Pârîs der sante sîne boten

geswinde gegen Troie dô

und hiez dem künige Prîamô

diu mære künden unde sagen,


und nach ihrer beschwerlichen Fahrt

gerne ausruhen wollten.

Die Fremden ließen es sich

dort gutgehen.

Ihre Gastgeber versorgten sie 

mit gekochtem und gebratenem Essen im Überfluss. 

Paris schickte dann auch  

seine Boten eilig nach Troja,

um dem König Priamus

die Neuigkeit zu berichten und zu verkünden, 

Montag, 10. März 2025

22540-22549

ein stat geheizen Tenadôn

lac vor in ûf der verte pfade,

dâ stiezen balde si ze stade

und îlten in daz kastel,

daz grüene, blâ, rôt unde gel

was von marmelsteine.

eht siben mîle cleine

lac diu stat von Troie,

dâ si mit grôzer joie

die naht belîben solten


Eine Stadt namens Tenadon

lag vor ihnen auf ihrem Reiseweg,

wo sie bald an Land gingen

und in das Schloss eilten,

das aus grünen, blauen, roten und gelben

Marmorsteinen bestand.

Nur sieben kurze Meilen von Troja

lag die Stadt entfernt,

wo sie mit großer Freude

über Nacht bleiben konnten


[Oder: »Nur gerade sieben Meilen«?]

Freitag, 7. März 2025

22530-22539

die clâren und die stæten,

dô wâren si mit île

des wâges manic mîle

gestrichen und geflozzen.

reht als ein pfîl geschozzen

kômens’ ûf ir strâze,

si wolten ûz der mâze

geswinde dannen gâhen,

dur daz Pârîs enpfâhen

begünde süezer minne lôn.


geraubt hatten,

da waren sie schon eilig

viele Meilen über das Meer

gefahren und gesegelt.

So wie ein geschossener Pfeil

kamen sie auf ihrem Weg voran;

sie wollten überaus

schnell davoneilen,

damit Paris 

süßen Liebeslohn bekommen könne.

Donnerstag, 6. März 2025

22520-22529

die frouwen alle, die bekomen

wâren mit ir ab dem hûs.

des meres unden unde ir sûs

die kiele treip von dannen.

Pârîs mit sînen mannen

die küniginne fuorte hin.

die marner heten under in

guot weter unde snelle var.

ê daz man würde sîn gewar,

daz si gezücket hæten


die mit ihr von der Burg

herab gekommen waren, in die Schiffe gebracht.

Die Wellen und Winde des Meeres

trieben die Schiffe hinweg –

und Paris führte mit seinen Männern 

die Königin davon.

Die Seeleute hatten unterwegs

gutes Wetter und kamen schnell voran.

Bevor man merken konnte,

dass sie die schöne und treue Frau

Mittwoch, 5. März 2025

22510-22519

des wart diu glanze künigîn

schier ûf gezücket und genomen,

wan die kiele wâren komen

bî der stunde zuo dem stade:

dar umbe Helêne vil gerade

gevüeret wart ze schiffe.

mit einem snellen griffe

ir süezer lîp von hôher art

geroubet von Pârîse wart.

Ouch wurden in diu schif genomen


Dadurch wurde die bildschöne Königin

sogleich geraubt und gestohlen,

denn die Schiffe waren

bereits am Ufer angekommen,

sodass Helena direkt

zum Schiff gebracht wurde.

Schnell ergriff Paris 

die Edle

und raubte sie. 

Zudem wurden alle Damen, 

Dienstag, 4. März 2025

22500-22509

dâ von diu frouwe dûhte,

daz Menelâus kæme.

diu clâre und diu genæme

wart in ir gemüete frô.

mit Pârîse gienc si dô

von dem kastelle sâzehant.

hin an des wilden meres sant

begunde si dô gâhen.

si wolte ir man enpfâhen

und willekomen heizen sîn.


Deshalb ging die Dame davon aus,

dass Menelaus komme.

Die Schöne und Makellose 

war froh darüber.

Mit Paris ging sie dann

sogleich aus der Burg hinaus

und eilte

zum Ufer des wilden Meeres.

Sie wollte ihren Mann empfangen

und ihn willkommen heißen.  

Montag, 3. März 2025

22490-22499

vernement rehte mîniu wort!

ich hân diu zeichen sîn gesehen.

welt ir die wârheit selber spehen,

sô kêrent an die zinnen!

den segel, den er hinnen

fuorte, den kius ich vür wâr.‹

sus gie diu küniginne clâr

hin an die zinnen bî der stunt.

der geste segel wart ir kunt,

der zweier hande lûhte:


Hört, was ich euch sage!

Ich habe seine Zeichen gesehen –

und wenn ihr die Wahrheit selbst sehen wollt,

dann geht zu den Zinnen!

Das Segel, mit dem er davongefahren ist,

genau das habe ich wiedererkannt.‹

So ging dann die vortreffliche Königin

bald hin zu den Zinnen.

Sie kannte das Segel der Ankommenden,

das in zwei Farben leuchtete.