Dienstag, 20. Dezember 2022

17450-17459

der künic wol geflizzen

het ûf die veste wunneclich

mit koste und mit gezierde sich.

Ouch hete er einen turn gemaht

ûz marmelsteine vil geslaht,

der stuont enmitten in der stift.

uns seit von im diu wâre schrift,

er læge ûf einem velse hôch,

des lenge sich ze berge zôch

fünf hundert clâfter über sich.


Der König hatte für

die beeindruckende Festung

keine Kosten und Mühen gescheut.

Auch hatte er einen Turm erbauen lassen,

aus vielerlei schönem Marmor,

der mitten in der Stadt stand.

Die wahren Bücher berichten von ihm,

dass er auf einem hohen Berg stehe,

dessen Länge sich fünfhundert Klafter 

in die Höhe erhob. 


[Bei den letzte beiden Versen bin ich unsicher. Ist der Berg fünfhundert Klafter hoch? Erhebt sich der Turm fünfhundert Klafter über den Berg hinaus?] 

Montag, 19. Dezember 2022

17440-17449

die steine wol gevieret

von bilden wâren schône ergraben.

dâ was vollendet unde erhaben

rîlichez werc in manige wîs.

reht als ein irdisch paradîs

diu stat erwünschet dûhte,

wan si gar schône lûhte

von rîchen dingen manger slaht.

si was nû bezzer vil gemaht

denn ê, daz sont ir wizzen.


In die schönen Steine 

waren kunstvolle Bilder eingehauen.

Ein prächtiges Werk hatte man dort

auf vielfältige Art und Weise errichtet und vollendet.

Ganz wie wenn man sich 

ein irdisches Paradies erträumt hätte,

so erschien die Stadt, die von vielerlei 

prächtigen Dingen schön erstrahlte.

Man hatte die Stadt – und das ist es, was ihr wissen müsst –, 

nun viel besser gebaut als zuvor. 

Freitag, 16. Dezember 2022

17430-17439

wan alsô wunnebære,

daz ez niht schœner mohte sîn.

ez was eht allez marmelîn,

swaz von bûwe drinne was.

vil manic hôher palas

stuont dar inne schône enbor,

an dem die louben wâren vor

und der wende mûre

mit golde und mit lâsûre

geverwet und gezieret.


so wundervoll war,

dass es schöner hätte sein können.

Es war wirklich alles aus Marmor,

was darin erbaut worden war.

Zahlreiche hohe Saalbauten

erhoben sich darin prächtig empor,

vor denen man Laubengänge errichtet hatte,

deren gemauerte Wände

mit Gold und mit Lasurblau

gefärbt und geschmückt waren. 

Donnerstag, 15. Dezember 2022

17420-17429

dâ wâren zehen tûsent

burger inne sezhaft,

die fürstenlicher hêrschaft

dâ wielten algelîche.

si wâren künige rîche,

margrâven unde herzogen.

diu schrift enhât uns niht gelogen,

diu von der stat die wârheit saget.

kein hûs dar inne was betaget,

daz iht anders wære,


Zehntausend Bürger 

lebten dort 

und sie alle

waren fürstliche Herren.

Mächtige Könige waren sie,

Markgrafen und Herzöge.

Die Schrift hat uns nicht belogen;

sie sagt die Wahrheit über diese Stadt.

Kein Haus konnte man darin finden,

dass nicht

Mittwoch, 14. Dezember 2022

17410-17419

daz man ersach dar inne sich

reht als in eime spiegel,

wan er enwas von ziegel

erziuget niht sô reine.

er was von marmelsteine

geworht nâch rîchen sachen.

swer Troye alsus hiez machen,

der solte leben iemer!

sô rîche liute niemer

in keiner stat gehûsent.


dass man sich darin

wie in einem Spiegel sehen konnte,

denn man hat den Boden nicht

aus Ziegeln so strahlen lassen,

sondern er war aus Marmor

kostbar gebaut.

Wer den Befehl gegeben hat, Troja so zu bauen,

der muss ewig leben!

Nie haben derart mächtige Menschen

in einer Stadt gelebt. 

Dienstag, 13. Dezember 2022

17400-17409

si wâren gel, grüen unde rôt,

wîz, brûn und als ein lâsûr blâ.

die türne stuonden alle dâ

mit blîe wol bedecket

und wâren drûf gestecket

knöpf überguldet schône.

mit rîcher koste lône

gezieret was diu selbe stat.

sô lûterbære und alsô glat

was ir gazzen esterich,


Sie waren gelb, grün und rot,

weiß, braun und wie der Lapislazuli blau.

Die Türme waren alle

mit Blei schön bedeckt

und auf das Dach hat man

mit Gold überzogene Spitzen gesteckt.

Die Stadt war also mit

überaus großen Kosten verziert und ausgestattet.

Der Boden ihrer Gassen 

war so rein und glatt,

Montag, 12. Dezember 2022

17390-17399

die türne gên den lüften hin

wâren ûf ze berge erhaben.

sô vil erhœhet vür die graben

was diu mûre wunneclich,

sus vil erhœhet heten sich

die türne vür die mûre glanz.

die steine kreftic unde ganz,

mit den diu mûre was bereit,

die truogen schœner varwe cleit,

daz liehten schîn den ougen bôt.


Die Türme erstreckten sich berghoch

gen Himmel.

So wie die schöne Mauer

sich hoch über den Graben erstreckte,

ebenso hoch erstreckten sich 

die Türme über die strahlende Mauer hinaus.

Die starken und mächtigen Steine,

aus denen die Mauer bestand,

erstrahlenden in schönen, farbigen Kleidern,

deren helles Strahlen die Augen erfreute.

Freitag, 9. Dezember 2022

17380-17389

dar în gezogen hete sich

ein fürste biderbe unde snel.

in iegelichem kastel

saz ein herzoge stæte,

der tûsent ritter hæte

und geltes zehen tûsent marc.

diu siben tor schœn unde starc

alsus besetzet wâren.

huot unde vride bâren

diu castel und die ritter in.


in der sich ein angesehener und tapferer

Fürst einquartiert hatte.

Jede Festung

beherbergte einen verlässlichen Herzog,

der tausend Ritter hatte

und zehn tausend Mark an Geld.

Auf diese Weise waren die sieben schönen und soliden Tore 

besetzt.

Schutz und Sicherheit brachten ihnen

die Festungen und die zugehörigen Ritter.

Donnerstag, 8. Dezember 2022

17370-17379

man dorfte in keinen zîten

nie bezzer stat beschouwen.

dâ wâren an gehouwen

ûz marmel siben porten,

die stunden z’allen orten

behuot vor itewîze

und wâren gar mit vlîze

gezieret hinden unde vor.

ein burc ob iegelichem tor

stuont vil harte wunneclich,


Noch nie hat man 

eine bessere Stadt gesehen.

Dort waren sieben Tore 

aus Marmor errichtet worden,

an denen es 

nichts zu tadeln gab

und die mit großem Aufwand

an der Vorder- und Rückseite geschmückt waren.

Bei jedem Tor stand

eine sehr ansehnliche Burg,


[Was genau ist damit gemeint, dass die Tore an »allen orten« vor »itewîze« behütet werden?]

Mittwoch, 7. Dezember 2022

17360-17369

dâ giengen umbe zwêne graben,

die wâren ûzer mâzen tief.

ein wazzer drinne alumbe lief,

daz die graben mahte vol.

mit türnen was gezieret wol

diu mûre in allen enden.

man warf wol mit den henden

ab eime, dâ der ander stuont.

er tet alsam die tôren tuont,

swer si gedâhte erstrîten.


Um die Mauer herum gingen zwei Graben,

die außergewöhnlich tief waren.

Durch die Gräben strömte das Wasser,

so dass die Gräben voll waren.

In kleinen Abständen war die Mauer

mit Türmen schön geschmückt.

Von einem zum anderen konnte man

leicht mit der Hand etwas werfen!

Wer auch immer auf die Idee käme, die Stadt zu erobern,

wäre ein Idiot. 

Dienstag, 6. Dezember 2022

17350-17359

ein mûre ûz marmelsteine

die stat vil schône alumbe zôch,

diu was sô gar unmâzen hôch

getriben ûf dur muotgelust,

daz über si kein arembrust

geschiezen mohte noch kein boge.

wær al die welt mit ir gezoge

derfür gevallen bî der zît,

der solte si kampf unde strît

mit ir kraft gegeben haben.


Eine Mauer aus Marmor

zog sich eindrucksvoll um die Stadt;

eine Mauer, die man im Überschwang und aus Enthusiasmus

so unglaublich hoch gebaut hat,

dass man weder mit einer Armbrust

noch mit einem Bogen über sie hinweg schießen konnte.

Wäre die ganze Welt im Kriegseifer

einmal vor diese Stadt gezogen,

hätte diese ihnen aufgrund ihre Mächtigkeit

Krieg und kämpferischen Widerstand entgegengesetzt.  

Montag, 5. Dezember 2022

17340-17349

die stat gebiuwen hæte.

Er hete ûz manigem lande

wercliute manger hande

gewunnen und besendet,

mit den sô was vollendet

der bû schœn unde stæte.

die stat begriffen hæte

ein harte wîter umbevanc.

wol drîer tageweide lanc

was diu veste uncleine.


die Stadt errichtet hatte.

Er hatte aus zahlreichen Ländern

Arbeiter aus verschiedenen Handwerken

beschäftigt und angeworben,

mit denen die Bauarbeiten

schön und zügig beendet wurden.

Die Stadt war nun 

von einem weiten Ring umfasst –

gut drei Tagesreisen lang

war die beachtliche Festungsanlage.


Freitag, 2. Dezember 2022

17330-17339

wir lesen an den schriften,

dô der juncherre Achille

mit der juncfrouwen stille

pflac der süezen minne alsus,

dô hete ouch künic Prîamus

die veste schône widerbrâht.

si was mit bûwe alsô bedâht,

daz ir kein stat dô was gelîch.

nû hœrent, wie der künic rîch

mit vlîze und mit geræte


Wir lesen in den Büchern,

dass (während der junge Herr Achill

insgeheim mit der jungen Dame

derart seiner süßen Liebe nachging)

der König Priamus auch schon 

die Stadt schön hat wieder errichten lassen.

Man hatte sie so gebaut,

dass keine Stadt es mit ihr aufnehmen konnte.

Hört nun, wie der mächtige König

mit Eifer und großem Aufwand

Donnerstag, 1. Dezember 2022

17320-17329

si zwei die truogen under in

lieb unde stæter minne vil.

hie mite sol ich unde wil

si lân belîben beide,

biz daz ich iu bescheide,

wie Troye was gebiuwen wider.

ich lege ir zweiger mære nider

und entsliuze von der stat,

wie keiserlichen man si bat

ornieren unde stiften.


Sie beide waren miteinander

glücklich und ihre große Liebe war echt und zuverlässig.  

Auf diese Weise muss und will ich 

die beiden sein lassen,

um euch zu berichten,

wie Troja wiederaufgebaut wurde.

Ich lege die Geschichte dieser beiden also zur Seite

und verrate mehr über die Stadt 

und wie kaiserlich man sie

hat verzieren und gestalten lassen.