Freitag, 28. Juni 2024

20190-20199

sîn hût ob allen fînen

vellen ist gewæhet.

si riuchet unde dræhet

den besten würzen vil gelîch.

ez ist vil manger tugende rîch

und izzet niht wan edel krût.

ûz sîner wunneclichen hût

was daz underzoc gemaht

des rîches mantels vil geslaht,

den Helenâ des mâles truoc.


Von allen feinen Fellen ist 

seine Haut die kostbarste.

Sie richt und duftet

wie die besten Gewürze.

Das Tier hat zahlreiche edle Eigenschaften

und isst nichts anderes als edle Kräuter.

Aus seiner wunderbaren Haut

war das Unterfutter gemacht

des prächtigen, vielfältigen Mantels,

den Helena zu dieser Zeit trug.

Donnerstag, 27. Juni 2024

20180-20189

alsô muoz man diz tier bejagen

und an dem schaten vâhen.

kein ougen nie gesâhen

kein alsô wunneclichez vel,

sô daz wilt schœn unde snel

an sîme erwelten lîbe treit.

sehs varwe sint ûf ez geleit,

die glîzent nâch dem wunsche dâ.

wîz, brûn, gel, rôt, grüen unde blâ

siht man von im dâ schînen.


auf diese Weise jagt man dieses Tier

und fängt es mit dem Schatten.

Nie sah ein Auge

ein derart schönes Fell,

wie das schöne und kräftige wilde Tier

auf seinem wunderbaren Körper trägt.

Sechs Farben hat es,

die perfekt strahlen.

Weiß, braun, gelb, rot, grün und blau

strahlt aus dem Fell hervor. 

Mittwoch, 26. Juni 2024

20170-20179

durch daz si dâ besunder

daz edel tier verlüste saten,

wan alzehant, swenn ez den schaten

des ûz erwelten loubes siht,

son sûmet ez sich langer niht.

ez leit sich dran schier unde lît

dar under alsô lange zît,

daz ez beginnet slâfen;

sô wirt zehant ein wâfen

durch ez gestochen und geslagen:


damit sie eben dort 

dem edlen Tier Verderben bringen,

denn sogleich, wenn es den Schatten

dieses Laubes sieht,

zögert es nicht länger

und legt sich darunter

und liegt dort so lang,

bis es einschäft.

Dann wird es sogleich von einem 

Schwert durchstochen –

Dienstag, 25. Juni 2024

20160-20169

daz im kein boum dâ schaten birt,

daz ist im âne mâze leit,

des wirt ein lâge im dâ bereit

und sîner glanzen hiute.

des selben landes liute

beginnent sîn dâ warten

und bringent ûz dem garten,

dâ der balsem inne wirt,

vil loubes, daz in schaten birt,

und bergent sich dar under,


Das Tier leidet darunter, 

dass ihm dort kein Baum Schatten wirft,

und so bereitet man dort eine Falle für das Tier

und sein strahlendes Fell.

Die Leute dieses Landes

lauern ihm dort auf

und bringen aus dem Garten,

in dem der Balsam wächst,

viel Laub, das ihnen Schatten schafft,

unter dem sie sich verbergen,

Montag, 24. Juni 2024

20150-20159

der liehten clâren sunnen blic

der glenzet in des landes creiz

sô gar unmæzeclichen heiz,

daz man dâ luftes bresten hât.

kein boum in der riviere stât,

der senften küelen schaten ber,

dâ von daz tier, des bin ich wer,

von hitze lîdet kumber.

sîn muot ist alsô tumber,

daz ez betrogen sanfte wirt.


Die Strahlen der hellen Sonne

brennen in diesem Land

so unermesslich heiß,

dass man da einen Mangel an Luft hat.

Kein Baum steht in der Gegend,

der angenehmen, kühlen Schatten wirft,

sodass das Tier, nach allem was ich weiß,

durch die Hitze Qualen leidet.

Sein Verstand ist so schwach,

dass es leicht betrogen wird.

Freitag, 21. Juni 2024

20140-20149

die liute, die man vindet dâ,

die vâhent einer hande tier

mit listen in der lantrifier,

von dem seit uns diu schrift alsus,

ez sî genant Dindîalus

und pflege als adellicher art,

daz nie kein tier als edel wart

von zame noch von wilde.

durch sîner hiute bilde

wirt im geleit des Tôdes stric.


fangen die Leute, 

die es dort gibt, auf kunstvolle Weise

ein Tier, das dort im Land lebt,

von dem uns die Schrift sagt,

dass es Dindialus genannt werde

und so edel sei

wie kein anderes Tier,

sei es wild oder gezähmt. 

Wegen des Aussehens seines Fells

wird ihm eine tödliche Falle gestellt.  

Donnerstag, 20. Juni 2024

20130-20139

ûz dem rîlichen tuoche,

daz ich mit lobe krœne,

truoc Helenâ diu schœne

des mâles mantel unde roc.

der mantel hete ein underzoc,

daz ein sô vremdez werden

mac niemer ûf der erden

biz an den jungestlichen sent.

ein lant daz lît in Orient

und ist genant Cepfaliâ.


Aus dem herrlichen Tuch,

das ich mit Lob kröne,

trug die schöne Helena

an diesem Tag einen Mantel und ein Kleid.

Der Mantel hatte ein Unterfutter –

nie wieder wird es auf Erden

ein so ungewöhnliches Unterfutter geben,

bis hin zum Jüngsten Tag.

In einem Land im Orient

namens Kepfalia


Mittwoch, 19. Juni 2024

20120-20129

der diz gewant von hôher kost

an sîme lîbe trüege;

ouch wart als ungefüege

nie kein sumer noch sô heiz,

man hete wol ân allen sweiz

dar inne küele gnuoc gehabet.

gelîstet und gebuochstabet

was ez von wîsen henden

an orten unde an enden

mit hôher künste ruoche.


der diesen kostbaren Stoff

an seinem Körper trägt.

Auch war wiederum

noch nie ein Sommer so heiß,

dass man es in diesem Stoff nicht

kühl gehabt hätte, ganz ohne zu schwitzen.

Von kundigen Händen war der Stoff

mit einem Saum und mit Buchstaben versehen worden,

und zwar am Saum und an den Enden

mit großer Sorgfalt und Kunstfertigkeit.

Dienstag, 18. Juni 2024

20110-20119

sîn glanz rein unde wunneclich

wart zuo der sîden glaste

und zuo dem golde vaste

getempert und gesellet.

swaz ouge wol gevellet

und eime herze fröude gît,

daz lac ze vil enwiderstrît

an dem plîâte wol gestalt.

kein winter der wart nie sô kalt,

daz ieman lite keinen frost,


Sein reiner, angenehmer Glanz

gesellte sich zu der strahlenden Seide

und vertrug sich auch wunderbar 

mit dem Gold.

Alles, was dem Auge gefällt

und einem Herzen Freude verschafft,

davon gab es in jeder Hinsicht mehr als genug

an dem wunderbaren Pliat.

Kein Winter war je so kalt,

dass derjenigen frieren müsste,

Montag, 17. Juni 2024

20100-20109

daz stuont in glanzer rîcheit

geschepfet, als ez künde leben.

ouch wâren löuber unde reben

dar ûf genât mit golde frisch.

daz tier, der vogel und der visch

stuont ûf dem tuoche reine

und lac erwelt gesteine

dar under und dâ zwischen.

daz kunde wol gemischen

zuo dem rîchen werke sich.


All das war in glänzender Pracht

geschaffen, als würde es lebendig sein.

Blätter und Reben 

waren mit frischem Gold darauf genäht.

Tiere, Vögel und Fische

waren auf dem Tuch zu sehen

und ausgewählte Steine

waren darunter und dazwischen angebracht worden.

All das zusammen 

verband sich zu diesem prächtigen Werk.

Freitag, 14. Juni 2024

20090-20099

wart er von künsterîcher nôt,

dâ mite er was getwungen.

zwischen den wandelungen

schein ie der selbe plŷât,

von sîden alsô wol zernât,

daz man gesach mit handen

in al der welte landen

nie wæher werc gebilden.

des zamen und des wilden

ein wunder was dar an geleit.


wurde er durch kunstvollen Zwang,

mit dem er ausgestattet worden war.

Zwischen den Wechseln 

konnte man sehen, dass die Seide

dieses Plialts so gut vernäht war,

dass man 

in allen Ländern der Welt

nie einen kostbareren Stoff hätte finden können.

Außerordentlich viel von wilder und gezähmter Natur

war daran zu sehen.