Dienstag, 22. September 2020

13120-13169

13120

diz mære hin von Troye kam
geriuschet z'in geswinde,
wie man ir lantgesinde
erslagen allez hæte
und wie der künic stæte

13125

her Lâmedon wart tôt gesehen.
swaz von den Kriechen was geschehen,
daz wart in allez dô geseit.
nû Prîamus die wârheit
umb den vater sîn vernam

13130

und im daz leide mære kam,
daz Troye was zerstœret,
dô wart von im gehœret
clag unde marterlîchiu nôt.
von herzen weint er sînen tôt

13135

mit flîzeclicher andâht.
ouch wart ze herzeleide brâht
mit im al sîn ritterschaft.
betrüebet unde jâmerhaft
liez er beliben daz gesez

13140

und kêrte sîner verte mez
von dannen gegen Troye wider.
er leite sîn urliuge nider
und îlte hein ze lande.
beswærde manger hande

13145

in sînem herzen lac begraben,
wan er begunde sich gehaben
erbermeclichen alzehant.
dô beidiu liute unde lant
verwüestet wâren und verhert,

13150

dô wart dem herzen sîn erwert
vröud unde hôchgemüete.
swaz wunne drinne blüete,
diu reis von jâmers rîfen abe.
sîn gelwez hâr mit ungehabe

13155

ûz sînem reiden houpte er brach.
vil heize weinte er unde sprach:
Hey, vater, sælic unde guot!
got riuwe, daz dîn edel bluot
âne schult vergozzen sî.

13160

und wære ich dir gewesen bî,
daz möhte niemer sîn geschehen,
daz man dich hæte alsus gesehen
erslagen von den Kriechen.
ich muoz an vröuden siechen,

13165

die wîle daz ich lebende bin,
durch den verworhten ungewin,
daz ich bî dir niht enwas.
dîn herze was ein adamas
an ritterlicher stæte.



13120

Doch die Nachricht aus Troja
verbreitete sich schnell zu ihnen,
wie man ihr ganzes Volk
erschlagen hatte
und wie der treue/ beständige König

13125

Lamedon tot gesehen wurde. 
Alles, was die Griechen getan hatten,
das wurde ihnen berichtet.
Als nun Priamos die Wahrheit
über seinen Vater erfuhr

13130

und er die leidvolle Geschichte vernahm,
dass Troja zerstört worden war,
da vernahm man von ihm
Klagerufe und qualvolle Not.
Er beweinte seinen Tod von Herzen

13135

mit großer Anteilnahme. 
Auch seine ganze Ritterschaft
litt dort mit ihm.
Betrübt und schmerzerfüllt
ließ er die Belagerung beenden

13140

und führte seine Gefährten
fort und wieder zurück nach Troja.
Er legte seine Fehde nieder
und eilte zurück in sein Land.
Großer Kummer

13145

lastete auf seinem Herzen,
denn er begann sogleich
sich mitleiderregend zu verhalten.
Weil sowohl Land als auch Leute 
geschändet und vernichtet waren, 

13150

wurden seinem Herzen Freude
und Hochstimmung verwehrt. 
Was an Glück darin blühte, 
wurde von der Kälte des Jammers ausgelöscht.
Er riss sich sich sein blondes Haar mit

13155

wildem Gebaren vom Lockenkopf,
weinte innig und sprach:
“Ach seliger und vortrefflicher Vater,
Gott muss bereuen, dass dein edles Blut
ohne Schuld vergossen worden ist.

13160

Wenn ich bei dir gewesen wäre,
wäre es niemals dazu gekommen, 
dass man dich auf diese Weise
von den Griechen erschlagen gesehen hätte.
Ich muss aller Freuden entbehren

13165

solange ich lebe
wegen des verdammenswerten Unglücks, 
dass ich nicht bei dir gewesen bin.
Dein Herz war ein Diamant 
an ritterlicher Beständigkeit.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen