Montag, 28. September 2020

Kommentar

»Wehe« (V. 13170) ist, sagt der Duden, entweder »Ausruf der Klage, Bestürzung o. Ä.« oder »Ausruf, mit dem man etwas Schlimmes, Unheilvolles o. Ä. ankündigt oder androht«. Man könnte die Übersetzung im Sinne der zweiten Bedeutung so verstehen, als würde dem Verbrechen etwas Schlimmes angekündigt. Ich würde allerdings vermuten, dass die Stelle als »Ausruf der Klage« zu verstehen ist. Deshalb würde ich eher etwas übersetzen wie »oh weh, welch Verbrechen«.

Hinsichtlich der »tugent« (V. 13172) hatte ich im Kommentar zur Übersetzung der ersten Gruppe geschrieben, dass möglicherweise etwas gemeint ist wie »(hilfreiche) Tätigkeit«. Und da man das so wohl eher nicht übertragen kann, war mein Vorschlag: »Ach Gott, dass Deine Wohltätigkeit und deine Ehre ein Ende gefunden haben.«

Die Verse V. 13184ff. sind sehr schwierig, finde ich. Negationen funktionieren im Mittelhochdeutschen nicht immer so wie im Neuhochdeutschen und das könnte so eine Stelle sein, an der dies zu Problemen führt. Ich tendiere zu einer explizierenden Übersetzung, einer Übersetzung, bei der man ein wenig hinzufügt, um die Stelle deutlicher vor Augen zu stellen. Ich verstehe die schwierige Stelle folgendermaßen: »Wenn es jemals ein Herz gegeben hat, das von tödlichem Leid durchdrungen war, dann meines, denn tödlicher Schmerz liegt tief verwahrt und verschlossen in meiner Brust.« – Die Doppelformel »verwahrt und verschlossen« ersetzt das »siegeln«, das heutzutage vielleicht nicht mehr anschaulich genug ist. 

Beim »verweisen« in V. 13201 würde ich dafür plädieren, in der Übersetzung näher am Mittelhochdeutschen zu bleiben, denn die Genannten sind ja nicht nur einsam, sondern tatsächlich ganz konkret zu Waisen geworden. Und die »megde« in V. 13202 sind, glaube ich, keine »Edelfrauen«, sondern einfach junge (unverheiratete) Frauen. 

Das waren jetzt viele Verbesserungsvorschläge – dafür hatte ich aber auch Zeit, weil ich finde, dass die Textstelle ingesamt flüssig und stilsicher übersetzt wurde!

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