Donnerstag, 31. Oktober 2024

21840-21849

diu êrste diu gelobte iu schaz,

und diu ander wîsheit,

diu dritte wolte iu lân bereit

mich werden z’eime wîbe.

swaz an ir drîer lîbe

lac hôher wirdekeite grôz,

der wolten si belîben blôz,

dur daz si crieges würden vrî.

daz aber diz ergangen sî

ze rehte, als ir mir hânt geseit,


Die erste versprach euch Reichtumg,

die zweite Weisheit

und die dritte wollte euch bereitwillig

mich zur Frau geben.

Wie viel an großer Würde und großem Ansehen

die drei auch hatten,

darauf wollten sie verzichten,

um den Streit zu beenden.

Dass es aber bei dieser Sache, so wie ihr es mir geschildert habt,

mit rechten Dingen zugegangen sei,

Mittwoch, 30. Oktober 2024

21830-21839

durch daz mîn lop niht werde toup

an kiuscheclicher stætekeit.

ir habent mir hie vor geseit,

wie drî götinne wunneclich

ergâben dem gerihte sich,

daz über si von iu geschach.

swaz urteil iuwer munt gesprach,

der wolten si gehôrsam sîn.

iu wart geheizen von in drîn

grôz miete ân allen widersaz.


damit mein Ansehen auch weiterhin

für Sittlichkeit und Beständigkeit steht.

Ihr habt mir vorhin erzählt,

wie sich drei schöne Göttinnen

dem Gerichtsurteil unterworfen haben,

dass von euch über sie gefällt wurde.

Egal welches Urteil ihr aussprechen würdet,

diesem Urteil wollten sie folgen.

Von diesen drei Göttinen wurde euch ganz unaufgefordert

großer Lohn versprochen.

Dienstag, 29. Oktober 2024

21820-21829

ich bin gewesen im ze trût

unde ein teil ze liep dar zuo,

daz ich des iemer iht getuo,

daz in beswære ûf erden.

des lânt beschirmet werden

vor schemelicher missetât

daz heil, daz mir gegeben hât

Fortûne diu vil lobesame.

niht zückent mir von mîner schame

dekeinen lasterbæren roup,


Ich bin ihm schon längst viel zu lieb gewesen, zu nah

und außerdem auch viel zu vertraut,

um auch nur auf die Idee zu kommen etwas zu tun,

das ihn betrüben könnte.

Lasst also das Heil, das mir

die hochzulobende Fortuna gegeben hat,

vor einer beschämenden Untat

geschützt sein.

Vergeht euch nicht wie ein Räuber auf liederliche Weise 

an meiner Sittlichkeit und meinem Anstand,

Montag, 28. Oktober 2024

21810-21819

mîn vrechez herze linde

sol âne sêr belîben:

zervüeren und zertrîben

lânt ez niht iuwer rede alsus!

mîn herre Menelâus,

der mîn getriuwelichen gert,

hât mich niht alsô gar unwert,

daz ich des wünschen welle,

daz ir mîn slâfgeselle

werdent unde ich iuwer brût.


Mein Herz voll Mut und Zartheit

soll ohne Wunde bleiben.

Ihr dürft es mit euren Worten 

nicht so zerreißen und verwirren!

Menelaus, mein Herr und Mann,

der mich treu liebt,

behandelt mich nicht so schlecht,

dass ich wünschte,

dass ihr mein Liebhaber werden würdet

und ich eure Braut. 

Freitag, 25. Oktober 2024

21800-21809

sît ir mich gerne wellent hân,

sô kôment ir ze trâge.

ze mîner helfe wâge

ist iu geworfen ab der stec.

ez hât ein ander man enwec,

dar nâch sich pînet iuwer lîp.

ir suochent ein bekümbert wîp,

diu mit der ê besezzen ist,

dâ von ger ich bî dirre frist,

daz iuwer bete erwinde.


Mag sein, dass ihr mich gerne hättet, 

aber dafür kommt ihr zu spät.

Der Weg, um mich auf eure Seite zu ziehen,

ist euch versperrt. 

Ein anderer Mann hat das bekommen,

wonach ihr euch so qualvoll sehnt.

Die Frau, die ihr bestürmt, bringt ihr damit in Bedrängnis,

weil sie schon verheiratet ist.

Deshalb bitte ich nun darum, 

dass euer Bitten aufhöre. 

Donnerstag, 24. Oktober 2024

21790-21799

den ich für si wil meinen

und in ze stæte hân genomen.

und wærent ir geswinde komen

mit eime snellen schiffe,

ê daz ich den begriffe,

den ich ze rehte haben sol,

ich hæte iu mîne minne wol

für tûsent man gegunnen,

die nâch mir alle brunnen

als in dem fiur ein dürre spân.


den allein ich lieben will

und dem ich treu bin.

Und wenn ihr schnell gekommen wärt,

mit einem schnellen Schiff,

bevor ich den gewählt hatte,

dem ich verpflichtet bind,

dann hätte ich euch meine Zuneigung

sicherlich mehr gegönnt als tausend anderen Männern,

die alle für mich entzündet waren

wie in dem Feuer ein dürres Stück Holz.

Dienstag, 22. Oktober 2024

21780-21789

wan daz ir mundes traget mê,

dann under den dekeiner,

son wâren si niht cleiner

an ir gemüete, danne ir sît.

ob an mir iuwer herze lît,

vil kleine mich des wundert.

ir ist wol zehen hundert,

die mînes lîbes hân gegert

und sint beliben ungewert

doch alle biz an einen,


Ihr aber macht euren Mund weiter auf

als alle von ihnen,

auch wenn sie in ihren Gefühlen

nicht weniger betroffen waren als ihr.

Dass ich in eurem Herzen bin,

das wundert mich gar nicht.

Es sind sicherlich zehn mal hundert,

die mich begehrt haben

und deren Begehren enttäuscht wurde,

alle, bis auf einen, 

Montag, 21. Oktober 2024

21770-21779

der ougen dûhte ich alsô clâr

als iuwer, des geloubent mir!

si sâhen alsô wol als ir,

waz an mir sælikeite lac,

wan daz ir zunge niht enpflac

sô vrîer sprüche wider mich.

ir muot schein alsô grœzlich

als iuwer herze schîne.

si truogen scharpfe pîne

dur mich und was in ouch vil wê.


und in deren Augen schien ich ebenso 

schön und makellos zu sein, wie für die euren, das könnt ihr mir glauben.

Sie sahen, ebenso gut wie ihr,

welche Anmut mir gegeben wurde,

nur dass ihre Zunge keine 

so ungezügelte Reden auf mich losließen.

Ihr Wollen und Begehren strahlte ebenso groß und deutlich

wie euer Herz.

Sie hatten wegen mir heftig zu leiden 

und zudem ging es ihnen schlecht. 

Freitag, 18. Oktober 2024

21760-21769

vil hôchgeborner jungelinc,

ir wænent lîhte, daz ich sî

gewerbes unde bete frî

biz an disen tac beliben?

nein, zwâre, manger hât getriben

red unde bete wider mich.

ir sint der êrste niht, der sich

mit worten hât an mich versuocht.

mîn hât ouch liute mê geruocht,

dann ir, daz wizzent offenbâr,


Hochedler junger Mann,

ihr denkt vielleicht, dass bisher

noch nie jemand um mich 

geworben und mich mit Bitten und Betteln bedrängt hat. 

Glaubt mir, das stimmt nicht, denn viele

haben mich mit Worten und Bitten bestürmt.

Ihr seid der Erste nicht, der sich

mit Worten um mich bemüht.

Es haben sich wirklich auch manche

mehr in mich verguckt, als ihr das getan habt;

Donnerstag, 17. Oktober 2024

21750-21759

von mîner minne reine

sult ir die sinne kêren.

mîn bîschaft sol iuch lêren,

daz ir mangel mügent hân

der schœnen sache wol getân,

der iuwer herze welle gern.

daz man des dinges mac enbern,

daz guot ist unde wol gestalt,

daz ist ein tugent manicvalt

und gar ein adellichez dinc.


Wendet euch ab 

von meiner tadellosen Liebe! 

Mein Beispiel soll euch lehren,

dass ihr Verzicht üben müsst,

auf die schöne Sache,

die ihr von Herzen begehrt. 

Dass man auf eine Sache verzichten kann,

die gut ist und schön,

das ist eine große Tugend

und eine edle Sache.

Mittwoch, 16. Oktober 2024

21740-21749

swie manger sprichet unde saget,

daz schœniu wîp unstæte sîn,

doch wizzent, lieber herre mîn,

daz gnuoge sint dar under,

diu stætekeit ein wunder

an sich mit willen hânt gelesen.

der lâzent ir mich eine wesen

und gerent mînes lîbes niht!

iuch hilfet iuwer zuoversiht

an mir vil harte cleine.


Es mögen ja viele sagen,

dass schöne Frauen wankelmütig und unzuverlässig sind,

es ist aber so, mein lieber Herr,

dass genug unter ihnen sind,

deren Willen es vollbracht hat,

ein Wunder an Beständigkeit zu sein.

Lasst mich eine von diesen Frauen sein

und begehrt mich nicht!

Eure Hoffnung wird euch bei mir

nicht weiterhelfen.