Montag, 11. Juli 2022

16630-16639

owê, daz ich gevolget hân

der muoter mîn und ir gebote.

ich bin der werden minne gote

gewesen widerspænic,

nû wil ich undertænic

im werden hie mit triuwen.

mich sol daz iemer riuwen,

daz ich durch mîne blûcheit

sô grimmen kumber ie geleit,

als ich dâ her geliten hân.


Oh weh, dass ich auf meine 

Mutter und ihre Anweisung gehört habe!

Ich war gegenüber dem Got der edlen Liebe

widerspenstig;

nun will ich ihm hier mit Treue

untertänig sein.

Es muss mich auf ewig reuen,

dass ich durch meine Schüchternheit

so fürchterlichen Kummer gelitten habe

wie bisher. 

Freitag, 8. Juli 2022

16620-16629

ich mac hie mînen willen

vollenden, bin eht ich sô balt,

daz ich die maget wol gestalt

getürsteclichen rüere

und an ir vollefüere

mit liebe mînes herzen ger.

daz ich geloschet hân dâ her

in eines wîbes cleide

mir selben z’einem leide,

daz ist vil sêre missetân.


dann will ich hier meinen Willen

durchsetzen und dann auch so kühn sein,

dass ich es wage, das schöne Mädchen

zu ergreifen

und an ihr mit Freude

das zu vollenden, was mein Herz begehrt.

Dass ich mich bisher

gegen meinen Willen

in Frauenkleidung verborgen habe,

das ist ein großer Fehler.

Donnerstag, 7. Juli 2022

16610-16619

ich hân mit nôt gerungen

ze dicke und alsô mangen tac,

des ich niht mê gelîden mac,

noch langer wil verdulden.

von dirre megde schulden

bin ich an vröuden gar verhert.

und ist mir nû diu zît beschert

und diu state hie gegeben,

daz ich mîn jâmerhaftez leben

mit fröuden kan gestillen,


Kummer und Not haben mich 

seit langem schon viel zu sehr im Griff –

das will ich nicht länger erleiden und

erdulden.

Es ist die Schuld dieses Mädchens,

dass meine Freude ganz zerstört wurde.

Wenn aber nun der Zeitpunkt günstig ist

und die Gelegenheit gegeben,

dass ich mein beklagenswertes Leben

wieder mit Freuden beleben kann, 

Mittwoch, 6. Juli 2022

16600-16609

daz er sîn heil verlûzete,

des wolt er niht verhengen.

in dûhte, daz sich lengen

begunde daz gelücke sîn,

ob er die werden künigîn

von im gelâzen hete dô.

lîs unde tougenlîche alsô

gedâhte er wider sich zehant:

mich hât der strengen minne bant

nû lange zît getwungen.


Er wollte verhindern, dass es dazu käme,

dass er sein Glück verlöre.

Es schien ihm nämlich, dass ihn sein Glück

doch sehr lang hinhalten würde,

wenn er die edle Könign

nun hätte gehen lassen. 

Still und heimlich

dachte er sich nun:

Mich hat das strenge Band der Liebe

nun seit langer Zeit gefesselt.

Dienstag, 5. Juli 2022

16590-16599

daz sînes herzen muot ergê.

Dar an gedahte Achilles.

in dûhte in sînem muote des,

er hete rîcher state vil

dar zuo, daz er daz minnespil

vollante bî den zîten,

dâ von der süeze bîten

wolte langer niht als ê;

wan er in sorgen dô niht mê

verborgenlîche tûzete.


vielleicht niemals wieder erhält.

Eben das dachte sich auch Achill.

Es schien ihm,

dass er eine sehr gute Gelegenheit hätte,

um das Liebesspiel

bald zu einem Ende zu bringen.

Deshalb wollte der Liebenswerte

nicht noch länger warten,

wollte dort nicht länger heimlich 

und sorgenvoll sich stillverhalten. 

Montag, 4. Juli 2022

16580-16589

ich fürhte, er neme den ungewin,

daz sîn wille niht geschehe.

ich râte, ob er die state sehe,

diu minneclicher sache tüge

und im sîn leit geringen müge,

daz er sich niht ensûme.

entwîchet er dem rûme,

der im ze liebe wirt beschert,

sô wizzent, daz im widervert

diu state lîhte niemer mê,


dann, so fürchte ich, schlüge es ihm zum Nachteil aus,

weil er seinen Willen nicht bekommt. 

Wenn er die Gelegenheit erkennt,

die zu Liebesdingen günstig ist

und ihm sein Leid lindern kann, dann rate ich,

dass er nicht zögern soll.

Weicht er von dem Raum zurück,

den ihm das Schicksal für seine Freude beschert hat,

dann müsst ihr euch darüber im Klaren sein, dass

er die Gelegenheit, den Willen seines Herzens zu erfüllen,

Freitag, 1. Juli 2022

16570-16579

und der vil reinen minne spil

begunde an ir vollenden.

swer under sînen henden

het alsô wæhe sache,

daz er von ungemache

sich scheidet, ob er hât geturst,

der lesche sînes herzen durst

an liebe zuo den zîten.

wan ob er langer bîten

wil durch zegelichen sin,


und damit begann, das so überaus reine Spiel der Liebe

an ihr zu einem Ende zu bringen. 

Jeder, der in seinen Händen

etwas derart Kostbares hat,

dass er seine Not 

überwinden könnte, wenn er nur kühn ist,

der lösche möglichst bald 

den Durst seines Herzens nach Freude.

Wartet er nämlich lange,

weil er unentschlossen und verzagt ist,