Freitag, 19. Dezember 2014

2081-2090

mit êren alles guotes hort.
daz ertrîch und der himel dort
mit künsten wurden ûf geleit;
si mahte gotes wîsheit
und allez, daz in beiden ist.
jô füeget hôher künste list,
daz von ir wahset rîcher solt.
mit listen wirt gemachet golt,
und hât daz golt der tugent niht,
noch der krefte in sîner pfliht,

jeden Schatz vergolden.
Die Erde und der Himmel dort,
die wurden mit Kunstfertigkeit erschaffen;
Gottes Weisheit machte sie
und alles, was in beiden ist.
Ja, das Wissen hoher Künste ermöglicht,
dass von beiden großer Gewinn entsteht.
Durch Wissen wir Gold gemacht
und das Gold hat nicht die Fähigkeit,
noch die Kräfte zur Verfügung,

Donnerstag, 18. Dezember 2014

2071-2080

rîlichen hort in sîne pflege,
dur daz er sîn hüet alle wege,
der wil sîn guot alsô bewaren,
als ob er einen hieze varen
ân alliu ruoder ûf daz mer
und in mit schatze sunder wer
dâ lieze in einem kiele sweben.
man sol mir disen apfel geben,
den kan ich wol verschulden.
wîsheit mac übergulden

einen reichen Schatz anvertraut,
damit er ihn tagein-tagaus behüte,
der will seinen Besitz so sichern
als wenn er jemanden
ohne Ruder auf das Meer schicken würde
und ihn dort mit Reichtümern, aber ohne Waffen zur Verteidigung,
in einem Kahn treiben ließe.
Mir muss man diesen Apfel geben.
Den hab ich wahrlich verdient.
Weisheit kann mit Ansehen

Mittwoch, 17. Dezember 2014

2061-2070

gewinnet wol êr unde guot.
ob er die gülte sîn vertuot,
er kan wol ander gelt bejagen:
sô muoz der tumbe rîche tragen
bresten alsô lange vrist,
swenn er von guote komen ist
und er sîn gelt verliuret.
gehœhet und getiuret
ist edel sin für allez guot.
swer einem sinnelôsen tuot

kann doch wohl mit seiner Weisheit Ansehen und Besitz erlangen;
und wenn er die Quellen seines Einkommens vertut,
kann er leicht andere Geldquellen auftun.
Demgegenüber muss der, der reich und dumm ist, einen Schaden
über lange Zeit tragen,
wann auch immer er Besitz verloren hat
und seines Geldes verlustig ging.
Erhabener und herrlicher
ist edle Gesinnung als aller Besitz.
Wer auch immer jemandem, der nicht ganz bei Sinnen ist,

Dienstag, 16. Dezember 2014

2051-2060

daz wil ich dir gedingen an.
witz ist ein hort, der niht enkan
geroubet werden, noch verstoln.
kunst mac wol eine wîle doln
an guote bresten unde schaden,
daz aber si mit nôt geladen
sî ze langen stunden,
des hab ich niht befunden
und ist mir selten worden schîn.
der wîse mit dem liste sîn

Das erwarte ich von dir.
Wissen und Verstand ist ein Schatz, der weder
geraubt noch gestohlen werden kann.
Können und Kunstfertigkeit mögen wohl eine zeitlang
Mangel und Schaden an Gut und Vermögen erleiden,
dass sie aber über längere Zeit in eine
Notlage geraten,
das habe ich bisher nicht vernommen
und auch noch nie gesehen.
Der, der weise ist,

[Ich gehe davon aus, dass es sich beim Vers 2059 um eine »Litotes« handelt, also um eine Untertreibung.]

Montag, 15. Dezember 2014

2041-2050

der sinne niht enhæte.
schaz unde rîch geræte
bedarf wol guoter witze.
swie kunst vil ofte sitze
rîchtuomes unde gülte vrî,
sô wont ir doch diu sælde bî
und alsô ganzer wirde lôn,
daz von ir sprichet Salomôn,
wîsheit sî bezzer denne golt.
den apfel dû mir lâzen solt!

dem es an Verstand fehlt.
Für Reichtum und wertvollen Hausrat
ist sicherlich eine klare Vernunft notwendig.
Auch wenn die Weisheit häufig
ohne Einkommen und Reichtümer auskommen muss,
hat sie doch Anteil am göttlichen Heil
und sie erhält auf diese Weise den Lohn einer uneingeschränkten Würde,
von der Salomon sagt,
dass Weisheit besser sei als Gold.
Den Apfel musst du mir lassen!

Samstag, 13. Dezember 2014

2031-2040

wan si mizzet allen hort.
si muoz beschrôten ime sîn ort
und nâch der mâze rîzen.
swer sich wil guotes vlîzen,
der muoz ouch haben liste,
dâ mite er guot gefriste
und ez beschirmen künne.
ein man wol guot gewünne,
het er eht sinnerîchen muot;
sô möhte ein man verlieren guot,

weil es jeden Schatz misst.
Es muss ihm seinen Raum zuweisen
und nach dem richtigen Maß einzeichnen.
Wer auch immer sich um Besitz bemüht,
der muss auch über Weisheit verfügen,
so dass er damit den Besitz erhalten
und beschirmen kann.
Jemand kommt wohl leicht zu Besitz,
wenn er verständig ist;
ebenso verliert jemand leicht Besitz,

Donnerstag, 11. Dezember 2014

2021-2030

ûf die götinne rîch erkant.
›sich‹, sprach si wider si zehant,
›wie gar dîn kriec ist üppeclich,
dû lâ dîn strîten wider mich,
dîn rede hilfet niht ein ei;
wan allez guot ist gar enzwei,
swâ man niht rehter witze enpfliget.
an guote wîser man gesiget
und ist gewaltic über ez.
kunst hât des guotes winkelmez,

an die Göttin, die für Reichtum bekannt war.
›Schau‹, sagt sie sogleich zu ihr,
›schon weil deine Angriffe grundlos und unnütz sind,
lässt Du es sein, mit mir zu zanken;
dein Vortrag hilft dir nicht die Bohne,
denn aller Besitz ist ganz und gar nichtig,
wo auch immer man sich nicht mit rechter Weisheit um ihn kümmert.
Ein weiser Mann erringt Besitz und Güter
und weiß mit ihnen umzugehen.
Das Wissen ist das Winkelmaß des Besitzes,

[Das semantische Spektrum von »üppeclich« versuche ich mit »grundlos und unnütz« zu umfassen.]

Mittwoch, 10. Dezember 2014

2011-2020

und sînen hort besitze.
wie künde mir dîn witze
den apfel wol enphlœhen?
mîn name sol sich hœhen,
und hie geprîset werden
vür elliu wîp ûf erden.‹
Pallas der worte niht vertruoc.
si muote sêre und übel gnuoc,
daz man die wîsheit sô beschalt.
mit rede wart diu wîse balt

und über den Reichtum verfüge.
Wie könnte mir denn deine Schlauheit
den Apfel rauben?
Mein Name soll sich erheben
und hier – noch vor allen anderen
Frauen auf der Welt – gerüht werden.‹
Pallas ertrug diese Bemerkungen nicht.
Sie war sehr genervt und nahm das übel,
dass man Weisheit und Klugheit derart beschimpfte.
Sie, die weise war, richtete sich mit mutigen Worten

[Die Passage ist vielleicht etwas »flapsig« geraten.]

Dienstag, 9. Dezember 2014

2001-2010

verdirbet witze und êre.
man lêre, swaz man lêre,
man künne, swaz man künne:
guot ist ein houbetwünne
wîstuomes unde künste gar.
dâ von dû sitelîche var
und enkriege niht ze vil!
den apfel ich behaben wil;
wan ich mit êren hie gesige,
sît daz ich alles guotes pflige

gehen Wissen und Ansehen zugrunde.
Ganz gleich, was man erzählt, man möge es weiterhin erzählen;
und ganz gleich, was man weiß, man möge es weiterhin wissen;
Besitz ist eine der größten Freuden
der Weisheit und aller Kunstfertigkeit.
Verhalte dich deshalb gesittet
und streite nicht zu viel!
Den Apfel will ich haben,
weil ich ehrenhaft hier siege,
da schließlich ich für allen Besitz zuständig bin

Montag, 8. Dezember 2014

1991-2000

und allen sînen houbetlist,
ob er dâ bî verarmet ist,
er dunket ein unwerder man.
swie lützel aber einer kan,
der guotes wirt gewaltic,
sîn wirde ist manicvaltic
und êret in man unde wîp.
gebreste künsterîchen lîp
kan wîsen z’ungewinne.
in armer liute sinne

und über alle seine höchsten Künste verfügen, –
wenn er zugleich arm ist,
hinterlässt er den Eindruck, ein unbrauchbarer Mann zu sein.
Aber: Wie wenig auch immer einer kann,
der über Besitz und Güter verfügt, –
seine Würde ist vielfältig
und er ist angesehen bei Männern und Frauen.
Mängel talentierter Leute
können Schaden verursachen.
Im Denken und in der Geisteshaltung armer Leute

[Die Konstruktion 1998f. ist mir nicht ganz klar.]

Freitag, 5. Dezember 2014

1981-1990

lâ dînen kriec belîben!
ez lît vor allen wîben
an mir der sælden ursprinc.
mîn schaz erwirbet alliu dinc,
des dîn witze niht entuot.
waz hilfet wîsheit âne guot
und alliu meisterlîchiu kunst?
rîchtuom hât werder liute gunst
und ist der êren überhort.
künd einer Salomônes wort

lass dein Streiten bleiben!
Der Ursprung des Heils liegt
in mir – und dann kommen alle anderen Frauen.
Mein Schatz erwirbt alle Dinge,
im Gegensatz zu deinem Wissen.
Was bringt Weisheit ohne Besitz
und alles meisterliche Können?
Reichtum gewinnt die Gunst edler Leute
und ist der höchste Schatz des Ansehens.
Könnte jemand reden wie Salomon

Donnerstag, 4. Dezember 2014

1971-1980

daz lâ dir wol gevallen,
sît daz ich ob den allen,
die zuo der hôchgezît sint komen,
hân witze und êre an mich genomen.‹
Jûnô diu wart des ungemeit,
daz mit ir umb den apfel streit
Pallas, der künste meisterîn.
dâ von des hordes künigîn
sprach ir aber schiere zuo:
›gespil, die rede fürder tuo,

das lass Dir gut gefallen,
denn mehr als alle anderen,
die zum Fest gekommen sind,
habe ich Wissen und Ansehen für mich erworben.‹
Juno war verärgert darüber,
dass Pallas, die Meisterin der Künste,
mit ihr um den Apfel stritt.
Deshalb sagte die Königin der Schätze
sogleich zu ihr:
›Liebste, lass das Reden sein,

Mittwoch, 3. Dezember 2014

1961-1970

gewinnet man rîlîche tugent.
mir nîget alter unde jugent
und êret mich wîp unde man.
swaz man ouch hôher witze kan
ertrahten und erdenken,
daz muoz ich allez schenken
ûz mîner gnâden vazze,
dâ von dû niht enhazze,
ob mir der apfel wol gezeme.
daz ich in hie ze râme neme,

gewinnt man herrliche Tugend.
Vor mir verneigen sich Alte und Junge
und es ehrt mich Frau und Mann.
Und was man an hohem Wissen
nur ergründen und erdenken kann,
das alles schenke ich
aus dem Füllhorn meiner Gnade;
Deshalb darfst du es nicht ungern sehen,
wenn der Apfel zu mir gehört.
Dass ich ihn hier als Ziel wähle,

[Die Verse 1968/69 sind mir nicht hunderprozentig klar.]

Dienstag, 25. November 2014

1951-1960

den wil ich âne zwîvel hân.
ze wunsche bin ich wol getân
und ist grôz êre an mich geleit;
jô walt ich aller wîsheit
und manger hôhen künste.
von mîner helfe günste
wirt sælde vil gewunnen.
der siben liste brunnen
den leit ich unde kêre.
von mîner süezen lêre

und ganz ohne Zweifel will ich ihn haben.
In Sachen Aussehen habe ich alles, was man sich nur wünschen kann
und großes Ansehen kommt mir zu.
Und ich verfüge ja auch über alle Weisheit
und manche besondere Kunstfertigkeit.
Durch die Gunst meiner Hilfe
wird viel Heil erlangt.
Die Flüsse der sieben freien Künste
leite ich und ich gebe ihnen die Richtung.
Durch meinem süßen Unterricht

Montag, 24. November 2014

1941-1950

grôzlichen hort und allen schaz.
dâ von wirt âne widersaz
der apfel endelichen mîn.
er sol mîn eigen iemer sîn,
sît ich an rîchtuom und an lobe
sweim allen werden frouwen obe.‹
Pallas der rede antwürte bôt.
ûz einem liehten munde rôt
sprach si bescheidenlichen z’ir:
›der apfel sol billîche mir,

große Reichtümer und alle Schätze.
Deshalb wird der Apfel letztlich
ganz ohne Widerstand mir gehören.
Mein Eigentum soll er auf ewig sein,
da ich an Reichtum und Lobpreis
über allen angesehenen Damen schwebe‹.
Auf diese Rede antwortete Pallas.
Aus einem hellen, roten Mund
sprach sie – auf angemessene Art und Weise:
›Der Apfel muss von Rechts wegen mir gehören

Freitag, 21. November 2014

1931-1940

mîn bruoder und mîn âmîs.
dar zuo trag ich sô werden prîs,
daz wîplich crêatiure
nie wart alsô gehiure,
noch sô rehte schœne als ich.
kein vrouwe kriege wider mich,
daz si wunneclicher sî.
mir wont sô rîche sælde bî,
daz mir dienet manic lant.
ich hân in mîner werden hant

mein Bruder und mein Liebster.
Außerdem kommt mir so edles Lob zu,
dass ein weibliches Wesen
nie derart lieblich und angenehm gewesen ist
noch so schlechthin schön wie ich.
Keine Dame führe mit mir Streit darüber,
dass sie anmutiger und schöner sei.
Bei mir ist so großes Heil,
dass mir viele Länder dienen.
In meiner edlen Hand habe ich

[Ich übersetze »gehiure« mit »lieblich und angenehm«, um das Bedeutungsspektrum deutlich zu machen. Ähnliches gilt für das (immer schwierige) »wunnecliche«.]

Donnerstag, 20. November 2014

1921-1930

mîn eigen, daz erkenne ich wol.
von schulden ich in haben sol,
wan niender lebet mîn gelîch.
ich bin gewaltic unde rîch,
junc, edel unde tugenthaft.
an guote hân ich wol die kraft
und alsô ganzer wirde ruom,
daz über allen rîchtuom
stêt mîn krefteclich gebot.
ouch ist der aller hœhster got

mir gehören – da bin ich mir sicher.
Zurecht muss er mir gehören,
denn niergendwo lebt jemand, der mir gleicht.
Ich bin reich und mächtig,
jung, von edler Geburt und tugendhaft.
Mit Gütern bin ich reichlich ausgestattet
und mit Lob für meine vollkommene Würde,
so dass mein kraftvoller Einfluss
alle Reichtümer umfasst.
Auch ist der allerhöchste Gott

Mittwoch, 19. November 2014

1911-1920

daz von ir werdekeite
ir iegelîchiu seite.
Dô sprach Jûnô: ›daz sol geschehen!
ich wil zem êrsten besehen,
ob ich den prîs behaben müge.
sît daz geschriben âne trüge
ist an den apfel wol getân,
daz in diu beste müeze hân,
diu komen sî zer hôchgezît;
sô wirt er âne widerstrît

dass eine jede von ihnen
von ihrer Würde berichten soll,
da sagte Juno: ›So soll es geschehen!
Ich will als erste sehen und prüfen,
ob ich den Siegespreis behaupten kann.
Da das Geschriebene am Apfel
ohne Zweifel schön verfertigt wurde,
so dass ihn die Beste derer,
die zum Fest gekommen sind, haben muss,
so wird er denn ohne Widerstand

Dienstag, 18. November 2014

1901-1910

verrihten sîner vrâge.
si leiten im dô lâge
mit sprüchen und mit worten,
des gap er z’allen orten
sô kündeclîche antwürte,
daz man dô balde spürte,
daz er was hübesch unde wîs.
nû der getriuwe Pârîs
zuo den frouwen dar gesaz
und er geredet hete daz,

den ihm gestellten Fragen Genüge zu tun.
Sie legten ihm die Situation dar
mit kunstvollen und einfachen Worten.
Darauf gab er stets
so kluge Antworten,
dass man dort bald merkte,
dass er höfisch und scharfsinnig war.
Als sich nun der getreue Paris
zu den Damen gesetzt hatte
und er das gesagt hatte,

[Ich vermute, dass mit der Formulierung »sprüchen und worten« unterschiedliche Grade an sprachlich-rhetorischem Aufwand gemeint sind.]

Montag, 17. November 2014

1891-1900

sô rehte hôher dinge
und man dem jungelinge,
der ein kint betalle schein,
getriuwe, daz er über ein
bringen möhte ir drîer strît.
er wart dur wunder an der zît
mit liehter ougen blicke
beschouwet dâ vil dicke,
als man die werden schouwen sol.
ouch kunde er iegelichen wol

so ganz außerordentliche Dinge verlangt wurden
und dass man dem Jüngling,
der noch ganz ein Kind zu sein schien,
zutraute, dass er den Streit der
drei wieder einrenken könne.
In jenem Moment betrachtete man ihn
verwundert, sehr genau
und mit strahlenden Augen,
so wie man die, die vornehm sind, anzuschauen hat.
Auch war er ohne Weiteres gegenüber allen in der Lage,

Freitag, 14. November 2014

1881-1890

Pârîs die rede leite für
den frouwen rîch von hôher kür,
die si vernâmen gerne.
süez als ein mandelkerne
sin edel sprâche dûhte;
dâ bî sîn varwe lûhte
glanz unde lieht dar under.
die göte nam des wunder
und die rîchen künge wert,
daz an den knappen wart gegert

Paris trug die Rede den
mächtigen und edlen Damen vor,
die sie gerne hörten.
Seine herrlichen Worte schienen
süß wie ein Mandelkern zu sein;
auch leuchtete er währenddessen
hell und strahlend.
Die Götter wunderten sich
und auch die mächtigen, angesehenen Könige,
dass von dem jungen Mann

[Wie genau das »dar under« zu verstehen (und zu übersetzen) ist, ist mir nicht klar.]

Donnerstag, 13. November 2014

1871-1880

nâch rehte hie gerihten.
swer kriege sol verslihten,
der muoz die sache wizzen;
dar umbe sint geflizzen,
daz iuwer iegelich enbar
ir leben und ir wirde gar,
dur daz ich wizzen müge dâ bî,
wem under iu gemæze sî
der apfel rîlich unde wert,
des iuwer drîer wille gert.‹

hier rechtsgemäß richten.
Jeder, der Streit zu schlichten hat,
der muss die Sache kennen;
eine jede von euch sei deshalb darum bemüht,
ihr Leben und ihre Würde
vollständig darzustellen,
so dass ich dadurch erfahren kann,
wem von euch der herrliche und kostbare
Apfel gebührt,
den ihr alle begehrt.‹

Mittwoch, 12. November 2014

1861-1870

›ir werden vrouwen alle drî,
sît daz an mich verlâzen sî
der kriec und ich den scheiden sol,
sô tuont durch iuwer tugent wol
und erfüllent mîne gir!
sag iuwer iegelîchiu mir,
waz an si wirde sî geleit.
ir aller beste werdekeit
entslieze si mir âne haz:
sô kan ich, weizgot, deste baz

›Ihr vornehmen Damen – alle drei –,
da der Streit mir übergeben ist
und ich ihn schlichten soll,
so handelt gut, wie es eurer Tugend entspricht,
und erfüllt mein Begehren!
Eine jede von euch sage mir,
von welcher Würde sie umfangen ist.
Ihre allerhöchste Ehre
lege sie mir ohne Widerwillen offen.
So kann ich, weißgott, umso besser

[Das »an si geleit« durch »umfangen« zu übersetzen, mag vielleicht etwas zu ›stark‹ sein (in dem Sinne, dass »umfangen« mehr Bedeutungsebenen und Bildlichkeit mit sich bringt), scheint mir hier aber sinnvoll, um heutige LeserInnen mit der Vorstellung einer den Göttern gegebenen Würde vertraut zu machen.]

Dienstag, 11. November 2014

1851-1860

in schimpfe, noch in spottes wîs,
dô nam der hübsche Pârîs
sich der frouwen krieges an,
sô daz er drunder obeman
und ein scheider wolte sîn.
er saz dâ nider zuo den drîn,
die des krieges pflâgen
und sich mit vlîze wâgen
ûf den erwelten prîsant.
wîslîche sprach er alzehant:

nicht verhöhnen oder verspotten sollten,
da kümmerte sich der wohlgeratene Paris
um den Streit der Frauen
und wollte ihnen ein Schiedsrichter
und Vermittler sein.
Es setzte sich dort hin zu den Dreien,
die im Streit waren
und eifrig nach dem
erlesenen Geschenk strebten.
Weise war, was er sogleich sagte:

Montag, 10. November 2014

1841-1850

sül under uns der besten geben,
sô wir gesagen unser leben
und der hœhsten wirde ein teil.
er sol vernemen durch sîn heil,
waz an uns drîn von êren lige,
und diu dar under hie gesige,
diu neme den apfel ûz erkorn
von sîner hende ân allen zorn.‹
Nû daz der jungelinc gesach,
daz disiu rede niht geschach

der Besten unter uns geben soll,
wenn wir von unserem Leben
und von der höchsten Würde etwas erzählt haben.
Ihm zur Freude soll er hören,
welches Ansehen uns dreien zukommt.
Diejenige, die dabei hier den Sieg erringt,
die nehme ohne jeden Zorn
aus seiner Hand den auserwählten Apfel.‹
Als nun der junge Man sah,
dass diese Aussagen ihn

Freitag, 7. November 2014

1831-1840

wie swîgent ir sô stille!
ist ez niht iuwer wille,
daz er iuch alle drî verneme,
und der dar under wol gezeme
der apfel und der prîsant,
daz in diu habe von sîner hant
ân allen kriec und âne haz?‹
›ja,‹ sprâchen si, ›wir loben daz
gemeine und algelîche,
daz er den apfel rîche

Warum schweigt ihr so?
Wollt ihr denn nicht,
dass er euch alle drei vernehme
und dass diejenige von euch, die würdig ist,
den Apfel und das Geschenk,
aus seiner Hand bekomme –
ohne allen Streit und ohne Hass?‹
›Ja‹, sagten sie, ›wir sind
alle gemeinsam dafür,
dass er den herrlichen Apfel

Donnerstag, 6. November 2014

1821-1830

den liuten algemeine,
daz man dîn herze reine
sol iemer hôhe prîsen.
wilt dû von kriege wîsen
die frouwen, die des apfels gernt,
sô solt dû wizzen, daz si wernt
vil hôhes lobes dînen lîp.
dich êrent drumbe reiniu wîp
und aller werden göte schar.
wâ nû, ir frouwen, sprechent dar!

gegenüber allen Leuten,
so dass man dein reines Herz
für immer lobpreisen muss.
Willst Du die Damen, die den Apfel begehren,
vom Streiten abbringen,
dann musst du wissen, dass sie dich
mit sehr großem Lob auszeichnen.
Dich ehren darum die sittsamen Frauen
und die Schar aller edlen Götter.
Wie sieht es nun aus, ihr Damen, sagt an!

Mittwoch, 5. November 2014

1811-1820

swer ich dir einen tiuren eit,
daz ich dur die gerehtekeit,
der ein wunder an dir lît,
dich hân besant zer hôchgezît,
noch anders durch dekeiniu dinc.
dû bist ein wîser jungelinc,
daz weiz ich und erkenne wol.
swaz krieges ieman scheiden sol,
den kanst dû wol verslihten
und sô nâch rehte rihten

schwöre ich Dir einen hohen Eid,
dass ich dich wegen des Gerechtigkeitssinns,
den du in unglaublich hohem Maße besitzt,
zum Fest habe holen lassen
und nicht wegen irgendeiner anderen Sache.
Du bist ein weiser junger Mann,
das weiß ich und sehe ich genau.
Egal welchen Streit jemand lösen muss,
du kannst ihn gewiss schlichten
und auf diese Weise gerecht richten,

Dienstag, 4. November 2014

1801-1810

mit rehten und mit wâren zügen,
den künige niht gescheiden mügen,
noch vil manic wîser got?
diu rede ist wærlich iuwer spot
und mac wol sîn dur schimpf getân.
möht ich daz ê gewizzen hân,
so enwær ich niht bekomen her.‹
›nein, zwâre,‹ sprach her Jûpiter,
›ich wolte ungerne schimpfen dîn.
bî der vil hôhen sælde mîn

mit rechtmäßigen und zuverlässigen Zeugen,
den weder Könige beilegen können,
noch gar viele der weisen Götter?
Wahrlich, mit dieser Ansprache wollt ihr mich verspotten
und sie mag nur gehalten worden sein, um zu scherzen.
Hätte ich das früher gewusst,
so wäre ich nicht hierher gekommen.‹
›Aber nein,‹, sagte Herr Jupiter,
›überhaupt nicht wollte ich dich verspotten 
Bei all meinem Heil

Montag, 3. November 2014

1791-1800

wan ich der jâre bin ein knabe
und ich der witze niht enhabe,
daz ich gescheiden müge den strît,
der hie ze hove an dirre zît
ist umb den apfel schœne.
daz iuch frô Sælde krœne
vor allen hôhen wirten!
wer gæbe eim armen hirten
alsô bescheidenlichen sin,
daz er den kriec hie leite hin

bin ich doch im Knabenalter
und bin ich doch nicht verständig genug,
um in der Lage zu sein, diesen Streit zu schlichten,
der sich hier am Hof zu dieser Zeit
um den schönen Apfel begeben hat.
Die Herrin des Heils möge euch
als höchsten von allen bedeutenden Gastgebern krönen!
Wer gäbe einem armen Hirten
so klar und deutlich die Absicht,
dass er den Streit hier beilege

[Wie genau der Vers 1799 zu verstehen ist, ist mir nicht klar.]

Samstag, 1. November 2014

1781-1790

vür sich dô bî der stunde.
ûz einem wîsen munde
sprach bescheidenlichen er:
›herr unde got, her Jûpiter,
diz wære ein michel ungelimpf
und müeste sîn der liute schimpf,
daz ir ze hôhen sachen
mich nidern und mich swachen
kneht hie ziehen wolten.
niht spotten ir mîn solten,

in diesem Moment vor sich nieder.
Aus weisem Mund
sprach er umsichtig und klug:
›Herr Jupiter, Herr und Gott,
das wäre sehr unangemessen
und müsste Gegenstand des Spotts der Leute sein,
dass ihr mich gewöhnlichen und geringen Jungen
hier zu bedeutenden Angelegenheiten
heranziehen wollt.
Ihr solltet mich nicht verhöhnen,

Donnerstag, 30. Oktober 2014

1771-1780

von im gescheiden dirre strît,
sîn lôp wirt michel unde wît
und muoz ûf al der erden
sîn nam erhœhet werden.‹
Pârîse was diu rede leit.
er zôch dur sîne hübescheit
den huot gezogenlichen abe.
der hôchgeborne süeze knabe
stuont ûf mit zühten über lanc
und leite sîne hende blanc

endlich und sauber beendet wird,
dann wird man ihn weit und breit loben
und sein Name muss auf der ganzen Welt
im Ansehen steigen.‹
Paris wollte das nicht hören.
Wegen seiner Höflichkeit nahm er
anständig den Hut ab.
Der süße, in einer edlen Familie geborene Knabe,
stand nach einiger Zeit sittsam auf 
und legte seine weißen Hände

[Was genau meint »über lanc«?]

1761-1770

ir eine ziehen ûz in drîn.
swenne er mit den ôren sîn
verneme îr aller drîer wort
und iren kriec biz ûf ein ort
gehœre und an ein ende,
sô gebe mit sîner hende
den apfel einer drunder
und lâze in der besunder,
diu ze rehte in haben sol.
wirt endelichen unde wol

die diesen Apfel mit sich nimmt.
Hat er erst mit eigenen Ohren
die Argumente der drei erfahren
und ihren Streit bis zuletzt und
bis zu Ende gehört,
dann gebe er mit eigener Hand
den Apfel einer von ihnen
und lasse ihn ihr allein,
der er zurecht zusteht.
Wenn von ihm diese Auseinandersetzung

Dienstag, 28. Oktober 2014

1751-1760

hât vrô Sælde ûf in gewant;
dur daz hab ich in her gesant,
daz er die vrouwen süeze
von kriege wîsen müeze,
der muot ûf disen apfel stât.
ir iegelîchiu willen hât
zuo der wunneclichen fruht.
nû sol Pârîs dur sîne zuht
den strît gescheiden under in.
er heize diesen apfel hin

hat die Herrin des Heils ihm mitgegeben.
Ich habe ihn hier herkommen lassen,
damit er die süßen Damen,
die sich nach diesem Apfel sehnen,
von ihrem Streit abbringe.
Jede von ihnen möchte
die herrliche Frucht haben.
Nun soll Paris durch seine Redlichkeit
den Streit, der zwischen ihnen herrscht, beilegen.
Er möge eine von ihnen bestimmen,

[»muot« hier mit »sehnen« zu übertragen, ist vielleicht etwas zu stark. Die Göttinnen sind – so ist das wohl gemeint – auf den Apfel fixiert, auf ihn konzentriert; – sind auf diesen Apfel hin ausgerichtet.]

Montag, 27. Oktober 2014

1741-1750

Pârîsen, der hie sitzet.
enbrennet und erhitzet
ist er ûf keiserlîche tugent:
ez wart nie kneht in sîner jugent
sô gar bescheiden, noch sô wîs.
er heizet dâ von Pârîs,
daz er gelîche rihtet
und allez dinc verslihtet
nâch rehte, des man frâget in.
witz unde künsterîchen sin

Paris empfing, der hier sitzt.
Er brennt – und ist heiß
auf kaiserliche Tugend.
Noch nie war ein junger Mann in seiner Jugend
so ganz und gar klug, verständig und so weise.
Er heißt deshalb Paris,
weil er neutral seine Urteile spricht
und alle Sachen, wegen der man ihn fragt,
so beilegt, wie es recht ist.
Wissen und versierte Ideen

Samstag, 25. Oktober 2014

1731-1740

an dem gestüele wunneclich.
si dâhten alle wider sich:
›dur waz kam dirre hirte her?‹
nû weste wol her Jûpiter,
daz si des alle wunder nam;
dâ von er in mit rede bekam
und gap in sîn antwürte alsô:
›ir herren alle,‹ sprach er dô,
›lânt iuch niht wunder nemen hie,
daz ich sô werdeclîche enphie

bei den herrlichen Stühlen. 
Sie dachten alle bei sich:
›Warum kam dieser Hirte her?‹
Da nun Herr Jupiter genau wusste,
dass sie sich alle darüber wunderten,
wandte er sich mit einer Ansprache an sie
und stand ihnen folgendermaßen Rede und Antwort:
›all ihr Herren‹, sagte er,
›wundert euch nicht darüber, dass
ich hier so würdevoll

[Ich gehe davon aus, dass »mit rede bekommen« meint, dass man sich mit einer Rede an jemanden wendet. Statt »antwürte« einfach nur mit »Antwort(en)« zu übersetzen (was man so heutzutage wohl nicht sagen würde), nehme ich eine geläufige Redensart.]

Donnerstag, 23. Oktober 2014

1721-1730

Die fürsten und der künige schar
die kâmen algelîche dar
für den werden hôhen got.
si dûhte ein wunderlicher spot,
daz im sô nâhe ein hirte saz
und daz er den sô hôhe maz,
daz er in liez die wirde hân.
von in wart rede vil getân,
waz er ze hove wolte,
und waz er schicken solte

Die Fürsten und die Leute der Könige
kamen alle zusammen dorthin,
vor den ehrbaren, erhabenen Gott.
Es schien ihnen eine kuriose Verhöhnung zu sein,
dass so nah bei ihm ein Hirte saß.
und dass er den so hoch schätzte,
dass er ihm diese Würde zukommen ließ.
Viel wurde über ihn geredet;
was er am Hof wollte
und was er ausrichten sollte

Mittwoch, 22. Oktober 2014

1711-1720

und al sîn massenîe,
daz dirre wandels vrîe
wart schône enphangen mit genuht
und daz im keiserlîche zuht
her Jûpiter mit rede bôt;
dô wart in allen harte nôt,
daz si gedrungen für den gast,
dem in der welte nihtes brast,
wan daz er guoter wæte,
noch cleider niht enhæte.

und alle Hofleute dort zu sehen begannen,
dass dieser makellose junge Mann
schön und aufwändig empfangen wurde
und dass Herr Jupiter ihm im Gespräch
mit kaiserlicher Höflichkeit begegnete –
da hatten sie es alle eilig,
sich hin vor den Gast zu drängen,
dem es auf der Welt an nichts fehlte,
außer daran, dass er weder gute
Kleidungsstoffe noch Kleidungsstücke hatte. 

Dienstag, 21. Oktober 2014

1701-1710

wart von schœnen wîben er.
des hoves wirt, her Jûpiter,
enphienc in harte schône.
ze wirde sîner crône
fuort er in bî den zîten
und sazte an sîner sîten
den süezen und den clâren,
der kunde alsô gebâren,
daz man im lobes muoste jehen.
und dô der hof begunde sehen

mit Ruhm und Anerkennung verziert.
Herr Jupiter, der Gastgeber des Hoffestes,
empfing ihn sehr freundlich.
Seiner Krone zum Ruhm
nahm er ihn dann mit sich
und setzte ihn, den Liebenswerten und Schönen,
an seine Seite.
Der war in der Lage, sich so zu benehmen,
dass man nicht umhin kam, ihn hierfür zu loben.
Und als der Hof

Montag, 20. Oktober 2014

1691-1700

die frouwen alle an sâhen.
si sprâchen unde jâhen,
ez wære ein schedelichez dinc,
daz ein sô glanzer jungelinc
ein hirte solte heizen.
er möhte in allen kreizen
ein künic lîbeshalben sîn.
sus wart durch sînen clâren schîn
Pârîs dâ gerüemet.
mit êren wol geblüemet

betrachteten alle Damen.
Sie sagten und betonten,
dass es eine Schande sei,
dass ein so herrlicher junger Mann
als Hirte durchgehe.
Er könnte, was seine Erscheinung anbelangt,
allenthalben ein König sein.
Auf diese Weise wurde Paris
wegen seines hellen Glanzes dort gerühmt.
Er wurde von schönen Frauen

Freitag, 17. Oktober 2014

1681-1690

schôn unde sæleclichen stât.
het er getragen rîche wât,
sô wære ein wunder dâ gezelt
von sîner clârheit ûz erwelt
und von der liehten varwe sîn.
diu gap sô wunnebæren schîn
ûz sînem swarzen huote,
als ob ein hac dâ bluote
von rôsen rîchen dornen.
den süezen hôchgebornen

das war bei ihm versammelt.
Hätte er kostbare Kleidung getragen,
dann hätte man dort Bewundernswertes
von seiner auserwählten Schönheit
und von seiner leuchtenden Farbigkeit erzählt.
Die glänzte so behaglich
aus seiner schwarzen Haut,
wie wenn ein Dornbusch dort geblüht hätte
mit Rosen voll mit Dornen.
Den süßen, hochgebornen

[Für »Haut« würde man eigentlich das mittelhochdeutsche »hût« erwarten; aber »huote« als irgendetwas, das mit Schutz und Behütung zu tun hat, scheint wenig Sinn zu geben.]

Donnerstag, 16. Oktober 2014

1671-1680

umb den apfel hæte.
swie man in kranker wæte
den jungelinc dâ sæhe,
doch was vîn unde wæhe
sîn lîp und aller sîn gebâr.
als ob er hæte guldîn hâr,
sus glizzen sîne löcke reit.
der wunsch der was an in geleit
von aller hande dinge,
daz einem jungelinge

des Apfels begonnen hatte.
Auch wenn man den jungen Mann
dort mit schlechter Kleidung sah,
waren doch sein Aussehen und sein ganzes Auftreten
grazil und stattlich.
Seine blonden Locken glänzten,
als wenn er goldenes Haar hätte.
Was man sich nur wünschen konnte; –
was einem jungen Mann
gut und glücklich ansteht –,

Mittwoch, 15. Oktober 2014

1661-1670

einen kolben in der hant.
als man in bî dem vihe vant,
sus wart er hin ze hove brâht.
des wart vil dicke dâ gedâht,
waz ein hirte wolte dar
vür schœne frouwen liehtgevar.
Doch wart er wol enphangen.
er kam für si gegangen
zuo dem gestüele wunneclich,
dâ der kriec erhaben sich

eine Keule in der Hand.
So wie man ihn bei dem Vieh fand,
so wurde er hin zum Hof gebracht.
Dort zerbrach man sich deshalb sehr den Kopf
darüber, weshalb ein Hirte dorthin
zu schönen, hell leuchtenden Damen komme.
Trotzdem wurde er gut empfangen.
Er ging zu ihnen,
und damit auch zu den schönen Stühlen,
wo der Streit wegen

[Ich füge ein »und damit auch« ein, um deutlich zu machen, dass er sowohl zu den Damen wie auch zu den Stühlen kommt (bzw. zu dem »Gestühl«, für das mir aber kein passendes neuhochdeutsches Wort einfällt).]

Dienstag, 14. Oktober 2014

1651-1660

von liehter sîden wol gebriten!
nein, sîn roc der was gesniten
ûz einem groben sacke
und hienc an sînem nacke
ein grâwer mantel niht ze guot.
von vilze truoc er einen huot
und zwêne schuohe rinderîn,
die wâren zuo den beinen sîn
mit riemen dâ gebunden.
ouch truoc er bî den stunden

aus heller Seide schön gewebt war?!
Nein, sein Rock, der war
aus grobem Sacktuch geschnitten
und über seinem Nacken hing
ein grauer und nicht allzu guter Mantel.
Aus Filz war der Hut, den er trug,
und zwei Schuhe aus Rindsleder
waren an seine Beine mit
Riemen gebunden.
Auch trug er zu dieser Zeit

Montag, 13. Oktober 2014

1641-1650

nâch dem hirten alzehant.
sus wart Pârîs von in besant,
der kûme doch ze hove kam,
wan in des michel wunder nam,
waz er dâ schicken müeste.
hin ûz der wilden wüeste
kêrte er ûf die hôchgezît.
ein kleit daz truoc er bî der zît,
daz im dâ was gebære.
nû sprechent, ob ez wære

innerlich sogleich in Wallung gerieten.
Sogleich sandten sie nach Paris,
der nur zögerlich zum Hof kam,
weil er sich sehr darüber wunderte,
was er da zu schaffen haben werde.
Von der wilden Wüste aus
ging er zum Fest.
Zu dieser Zeit trug er ein Gewand,
das ihm seinerzeit gebührte.
Nun sagt, ob es

Freitag, 10. Oktober 2014

1631-1640

den selben hirten wolten,
dazs' einen boten solten
nâch im senden in den walt,
dur daz ir kriec sô manicvalt
gescheiden würde rehte
von dem getriuwen knehte,
der sich ûf tugende wæge
und ganzer wâre pflæge.
Diz mære in allen drîen geviel
sô wol, daz ir gemüete wiel

diesen Hirten sehen wollten,
sie nach ihm, in den Wald,
einen Boten senden sollten,
damit ihr vielfach verschlungener Streit
auf (ge)rechte Art und Weise
von dem ehrlichen jungen Mann geschlichtet würde;
er, der sich an die Tugenden halte
und sich um Friedensschlüsse kümmere.
Diese Neuigkeit gefiel allen dreien
so gut, dass sie wegen des Hirten

Donnerstag, 9. Oktober 2014

1621-1630

und daz liuterlîche reht.
ouch seite er in, der selbe kneht
wære ein hirte unmâzen wîs
und hieze dâ von Pârîs,
daz an im gelîche
der arme und ouch der rîche
fünden starc gerihte grôz.
diz mære dô mit rede entslôz
her Jûpiter den frouwen.
er sprach, ob si beschouwen

noch das gute Recht.
Er sagte ihnen auch, dass dieser junge Mann
ein Hirte sei und außerordentlich klug
und deshalb Paris genannt werde,
weil bei ihm sowohl
der Schwache wie auch der Mächtige
einen imposanten, einflussreichen Gerichtshof finde.
Diese Sache machte dort
Herr Jupiter den Damen persönlich bekannt.
Er sagte ihnen, dass, wenn sie

[Ich übersetze die »rede« in V. 1628 mit »persönlich«.]

Mittwoch, 8. Oktober 2014

1611-1620

Doch seite er in ze mære,
ein hübscher knabe wære
dâ bî in einem walde,
der scheiden künde balde,
swaz verlâzen würde an in.
er hete alsô getriuwen sin
und sô bescheidenlichen muot,
daz er durch keiner slahte guot,
noch dur liebe, noch dur leit
zerbræche sîne wârheit

Doch erzählt er ihnen davon,
dass ganz in der Nähe in einem Wald
ein hübscher Knabe sei,
der in der Lage sei, geschwind all den Streit zu schlichten,
der an ihn herangetragen werde.
Er habe eine so treue Gesinnung
und sei so klug veranlagt,
dass er durch keinerlei Besitz,
noch durch Freude, noch durch Leid
weder seine Aufrichtigkeit aufgebe

Dienstag, 7. Oktober 2014

1601-1610

beswæren niht ir zweier lîp,
sô was Jûnô sîn selbes wîp
und dar zuo diu swester sîn:
alsô was er in allen drîn
mit sippeschaft gebunden,
daz er si bî den stunden
getorste niht gescheiden.
den zwein wolt er niht leiden,
ob diu dritte füerte hin
den schœnen apfel under in.

sie beide nicht betrüben;
außerdem war Juno seine eigene Frau
und zudem noch seine Schwester.
Er war also allen dreien
verwandtschaftlich verbunden,
so dass er es nicht wagte, sie
zu dieser Zeit zu trennen.
Er wollte nicht zweien Leid zufügen,
indem die Dritte der drei den
schönen Apfel mit sich nahm. 

Montag, 6. Oktober 2014

1591-1600

wolt under in verkiesen
und dâ mit rede verliesen
sîn hôchgebornez künne.
er was von adels wünne
in sippe sunder allen mein.
dâ von er wider si dô schein
an triuwen deste vester.
Vênus diu was sîn swester
und frô Pallas sîn tohter,
von dirre sache mohter

verschmähen wollte; auch wollte er
dort nicht wegen seiner Äußerungen
Verwandte von hoher Geburt verlieren.
Er war wegen der Herrlichkeit hoher Geburt
gegenüber der Familie ohne böse Absichten.
Deshalb stellte sich ihnen seine
Treue als umso größer dar.
Venus, die war seine Schwester
und Frau Pallas seine Tochter;
Aus diesem Grund wollte er

[Die Verse 1594/95 bereiten mir Kopfzerbrechen, weil mir nicht ganz klar ist, wie die »Wonne« des Adels zu verstehen ist und wie man »sippe« hier am Besten übersetzt.]

Freitag, 26. September 2014

1581-1590

daz ir der apfel würde.
diz dûhte ein swære bürde
den got bescheiden unde wîs,
daz ir einiu disen prîs
enphienge dâ besunder
und die zwô dar under
beliben sînes lobes vrî.
wan die frouwen alle drî
die wâren im alsô gewant,
daz er dekeine dô zehant

dass sie den Apfel bekommt.
Dies schien dem bedachten und weisen Gott
eine schwere Last zu sein,
dass hier eine von ihnen
diese Auszeichnung allein erhalte,
während die anderen beiden
auf sein Lob verzichten müssten.
Schließlich waren ihm alle drei Damen
derart zugeneigt,
dass er keine von ihnen geradewegs

Donnerstag, 25. September 2014

1571-1580

der si dô schiede nâch ir ger.
nû hôrte ir rede her Jûpiter,
wan er saz in nâhe bî.
dâ von sô bâtens' alle drî
den hübschen und den werden got,
daz er si durch sîn hôch gebot
geruochte ûz kriege wîsen,
sô daz er eine prîsen
ûz in drîn begünde,
diu daz verschulden künde,

um dort ihrem Willen entsprechend zu schlichten.
Nun hörte Herr Jupiter ihre Diskussion,
weil er in ihrer Nähe saß.
Deshalb baten alle drei
den achtbaren und anerkannten Gott,
dass er ihnen durch seine Entscheidung
einen Weg aus dem Streit heraus zeigen möge,
indem er anfange,
eine von ihnen dreien dafür zu loben,
dass sie die Ursache bieten könne, die dazu führt

Mittwoch, 24. September 2014

1561-1570

rein unde hôhe trûtschaft.
si wurden sêre kriechaft
umb den apfel under in.
dar unde dan, her unde hin
der strît mit rede wart geleit.
ir aller hœhsten werdekeit
warf ir iegelîchiu vür,
dar umbe daz si niht verlür
den prîs dâ bî den stunden.
kein rihter wart dô funden,

reines und vortreffliches Lieben.
Sie begannen heftig untereinander
um den Apfel zu streiten.
hin und her – und her und hin
wurde der Streit mit Worten geführt.
Ihre allerhöchste Würde
warf eine jede in die Waagschale,
um in diesem Moment
den Ehrenpreis nicht zu verlieren.
Kein Richter wurde dort gefunden,

Dienstag, 23. September 2014

1551-1560

was aller hôhen wîsheit,
sô vaht si, weizgot, unde streit
umb den apfel ouch zehant.
ir herze was ûf in gewant
und ir lîbes zuoversiht.
iedoch geschach ir wille niht
an dem prîsande wol getân,
wand in ouch Vênus wolte hân,
dur daz si der minne wielt
und ir herze nâhe vielt

aller hohen Weisheit war,
so focht sie wahrlich und kämpfte
auch sogleich um den Apfel.
Ihr Herz war auf ihn gerichtet
und all ihre innere Zuversicht.
Jedoch konnte sie ihren Willen bei diesem
kunstfertigen Präsent nicht durchsetzen,
weil auch Venus es haben wollte,
schließlich war sie für die Liebe zuständig
und ihr Herz schmiegte sie ganz eng an

[Ich verstehe »lîbes zuoversiht« so, dass Pallas mit ihrer ganzen »Person« zuversichtlich ist. Das versuche ich, mit ›all ihre innere Zuversicht‹ auszudrücken.]

Montag, 22. September 2014

1541-1550

vie den kriec zem êrsten an,
dâ si doch lützel an gewan,
wand ir ze jungest misselanc.
diu werde nâch dem apfel ranc
und hæte in gerne an sich genomen,
dar umbe daz si vollekomen
an rîcheit und an horde was.
dô streit dâ wider Pallas
mit worten und mit sinne.
dur daz si meisterinne

fing als erst den Streit an,
womit sie wenig Erfolg hatte,
weil es ihr zuletzt misslang.
Die Angesehene mühte sich in der Rangelei um den Apfel
und hätte ihn gerne an sich genommen,
weil sie unerreicht war,
was Macht und Schätze anbelangt.
Dagegen wehrte sich Pallas
mit Worten und klugen Gedanken.
Weil sie eine Meisterin

Freitag, 19. September 2014

1531-1540

vernomen under disen drîn.
si drî gelîche wolten sîn
die schœnsten ob in allen.
dô vür si was gevallen
der apfel und er wart gelesen,
dô wânde ir iegelîchiu wesen
diu beste zuo der hôchgezît.
mit worten huobens' einen strît
umb den apfel schiere dô.
des wirtes wîp, vrô Jûnô,

zwischen diesen dreien vernehmen.
Diese drei wollten – alle in gleicher Weise –
die Schönste von ihnen sein.
Als der Apfel vor sie gefallen
und gelesen war,
da hielt sich eine jede von ihnen
für die Beste auf dem Fest.
Sie begannen dann sogleich
um den Apfel einen Streit mit Worten.
Die Ehefrau des Gastgebers, Frau Juno,

Donnerstag, 18. September 2014

1521-1530

Der apfel wunneclich gestalt
von meisterschefte manicvalt
mit zouber sô gelüppet was,
swer die schrift gar überlas,
diu von im schône lûhte,
daz den bî namen dûhte,
daz er sô wunnebære
und sô gewaltic wære,
daz niender lepte sîn genôz.
des wart ein missehelle grôz

Der mit mannigfaltiger, meisterhafter Kunstfertigkeit
herrlich geformte Apfel
war mit Zauber so vergiftet:
Wer auch immer das Geschriebene,
das von ihm aus schön leuchtete, ganz durchgelesen hatte,
dem schien es wahrlich so,
dass er derart liebreizend
und derart mächtig sei,
dass es nirgendwo seinesgleichen gebe.
Deshalb konnte man große Uneinigkeit 

Mittwoch, 17. September 2014

1511-1520

und dô man het an in gelesen,
daz der apfel solte wesen
der schœnsten ûf der hôchgezît,
dô wolte ir iegelîchiu sît
sich dâ nider tücken
und mit der hende ûf zücken
den apfel schœne und ûz erwelt,
dar umbe daz si dâ gezelt
zer besten ûf der erden
möht ob in allen werden.

und als man an ihnen gelesen hatte,
dass der Apfel der Schönsten
auf dem Fest gehören sollte,
da wollte sogleich jede von ihnen
sich dort hinab bücken
und mit den Händen den schönen
und auserwählten Apfel schnell hochheben;
deshalb, weil sie dort von ihnen allen
als die Beste auf Erden
angesehen werden wollte.

Dienstag, 16. September 2014

1501-1510

ze höven und ouch anderswâ!
nû si verlie den apfel dâ
gevallen und gerîsen,
dô kêrte si mit lîsen
triten ûf ir strâze hin
und lie belîben under in
daz kleinœt ûzer mâze fîn.
des wart dô von in allen drîn
ein zeppel und ein kriec derhaben.
dô man gesach die buochstaben

an den Höfen und auch anderswo!
Als sie nun den gefallenen, niedergegangenen
Apfel dort verließ,
da machte sie sich mit leisen
Schritten auf ihrem Weg davon
und ließ das über alle Maßen schöne Kleinod
bei ihnen zurück.
Dadurch wurde dort von allen dreien
ein Zank und Streit begonnen.
Als man die Buchstaben gesehen hatte

Montag, 15. September 2014

1491-1500

und ir alten werresite,
dâ si noch leider ofte mite
verwirret gnuoge liute.
ir sâme wirt noch hiute
geworfen under manigen lîp.
si füeget, daz man unde wîp
vil ofte kriegent umbe niht.
owê, daz des sô vil geschiht,
daz missehelle machet
und fröude und êre swachet

und ihrer alten Zwietrachtgewohnheit,
womit sie leider noch oft
viele Leute in Verwirrung stürzt.
Noch heutzutage wird ihr Samen
unter zahlreiche Menschen geworfen.
Sie richtet es so ein, dass Männer und Frauen
oft wegen nichts und wieder nichts streiten.
Oh weh! Dass so oft Sachen geschehen,
die Uneinigkeit stiften
und Freude und Ansehen schwächen

Freitag, 12. September 2014

1481-1490

dâ vinden sîne sprâche.
durch üppeclîche râche
wart der apfel wandels vrî
gevellet under dise drî
gotinne, der ich hân gedâht.
gefüeret het in unde brâht
Discordiâ zer hôchgezît,
dur daz si kriec, haz unde nît
mit im dâ muoste briuwen.
si wolte ir art erniuwen

dass er dort seine Sprache fände.
Um sich in großem Maßstab zu rächen,
wurde der tadellose Apfel
zwischen diese drei Göttinnen,
über die ich gesprochen habe, fallen gelassen.
Zur Hochzeit mit sich geführt und gebracht
hatte ihn Discordia,
so dass dort Streit, Neid und Hass
durch ihn angestiftet werden mussten.
Sie wollte ihrem Wesen treu bleiben

[Ich übersetze »erniuwen« (also »erneuern«) mit »treu bleiben«, was inhaltlich einigermaßen stimmen dürfte, aber nicht genau die Vorstellung trifft.]

Donnerstag, 11. September 2014

1471-1480

wes der apfel solte wesen.
in swelher zungen man daz lesen
wolte bî der selben zît,
diu wart ân allen widerstrît
und in vil kurzen stunden
an den buochstaben funden,
die man dâ stân gelîmet sach.
von hôher künste diz geschach,
daz sich diu schrift verkêrte
und iegelichen lêrte

wem der Apfel gehören sollte.
In welcher Sprache auch immer man
das in diesem Moment lesen wollte,
die wurde ohne Widerstand
und in kurzer Zeit
an den Buchstaben gefunden,
die man dort angebracht sah.
Das geschah durch große Kunstfertigkeit,
dass sich das Geschriebene veränderte,
und jeden unterrichtete, 

Mittwoch, 10. September 2014

1461-1470

muoz si wesen ûz erwelt
und für die besten sîn gezelt,
diu von der hôchgezîte spil
mit ir den apfel füeren wil.‹
Diu rede und dise buochstaben
wâren mit gesteine ergraben
ûf des apfels umbekreiz,
der von smâragden grüene gleiz
und alsô wol geschriben was,
daz man dar an kôs unde las,

muss sie, die von den Freuden des Festes
den Apfel mit sich führen will,
auserwählt sein
und zu den Besten gezählt werden.‹
Diese Ansprache und diese Buchstaben
waren mit Edelsteinen
auf dem Umkreis des Apfels eingegraben.
Der Umkreis glitzerte mit grünen Smaragden
und geschrieben war so gut war das Geschriebenem
dass man daran erkannte und las,

[Gibt es eine bessere Übersetzung für »umbekreiz«?]

Dienstag, 9. September 2014

1451-1460

verr ûz der lîsten grasevar.
diu schrift von hôher koste gar
diu sprach alsus ze tiute:
›swelch frouwe sî noch hiute
diu schœnste ûf disem veste,
sô daz an ir kein breste,
noch kein wandel werde schîn,
der eigen sol der apfel sîn,
noch anders keines wîbes.
ir muotes und ir lîbes

weit aus der grasfarbenen Leiste hinaus.
Die Schriftzeichen – alle von hohem Wert –
die sagten übersetzt folgendes:
›Welche Dame auch immer hier
und jetzt auf diesem Fest die schönste ist,
so dass sich an ihr weder Mangel
noch tadelnswertes Verhalten zeigt,
der soll der Apfel gehören
und keiner anderen Frau.
Was ihre Gesinnung und ihr Aussehen anbelangt,

[Oben (781-790) habe ich »ze tiute« mit »bedeuten« übersetzt; mittlerweile neige ich eher dazu, »auf Deutsch« oder ähnliches zu übersetzen.]

Montag, 8. September 2014

1441-1450

stücken gar gefüeget wol.
vil ûz erwelter schrifte vol
schein der selbe grüene strich,
wan die buochstaben kostbærlich
beschouwen sich dâ liezen.
von glanzen mergriezen,
die niht reiner mohten sîn,
wâren si gevelzet drîn
und lûhten wunneclichen dâ;
si glizzen rôt, gel unde blâ

Stücken ganz hervorragend zusammengesetzt.
Voll mit auserwählten Schriftzeichen
leuchtete dieser grüne Strich,
wenn sich dort die kostbaren Buchstaben
betrachten ließen.
Aus glänzenden Perlen,
die nicht von größerer Reinheit hätten sein können,
waren sie darin zusammengelegt
und herrlich glänzten sie dort; 
Sie glitzerten rot, gelb und blau

[Sind »schrifte« Schriftzeichen? Oder sollte man quasi wörtlich von »Schriften« sprechen?]

Freitag, 29. August 2014

1431-1440

iht verre hin von der gesiht,
so enkôs dâ nieman anders niht
wan silbers unde goldes.
rîlicher künste soldes
ein wunder was ûf in geleit:
ein lîste wol eins vingers breit
enmitten umb den apfel was,
diu schein noch grüener, denne ein gras,
von smâragdînen steinen
und was ûz harte cleinen

weiter vom Gesicht weggehalten wurde,
dann erkannte dort niemand etwas
anderes als Silber und Gold.
Aufwand an kostbaren Künsten
wurde in außergewöhnlichem Maße für ihn betrieben:
eine Leiste, wohl einen Finger breit,
lief in der Mitte um den Apfel,
die leuchtete noch grüner als das Gras,
aus smaragdenen Steinen,
und war aus sehr kleinen

Donnerstag, 28. August 2014

1421-1430

dâ fremdeclichen lûhte
und iegelichen dûhte
sô mæzlich und sô cleine,
als ir dâ vil nâch keine
solte schînen unde wesen.
sô man den apfel ûz erlesen
hielt nâhe zuo den ougen,
sô wart dâ sunder lougen
diu mixtûre an im erkant;
und sô der apfel wart gewant

dort fremdartig leuchtete
und jeder den Eindruck hatte,
es sei so klein und so unscheinbar,
als würde dort beinahe keine
sein und leuchten.
Wenn man den erlesenen Apfel
nahe an die Augen hielt,
dann wurde dort – ich lüge nicht –
an ihm die Mixtur erkannt.
Und wenn der Apfel etwas

[Bei den Versen 1423-1425 bin ich mir etwas unsicher.]

Mittwoch, 27. August 2014

1411-1420

diu wurden elliu dâ geborn
und heten alliu doch verlorn
dâ ganzen unde vollen glanz,
sô daz ir keines was dô ganz
noch in volleclicher kür.
ir schîn was wider unde für
zerdræjet und zersprenget
und alsô gar vermenget
mit wilder temperunge,
daz manic wandelunge

die wurden alle dort hervorgebracht
und hatten doch alle dort
den ganzen und vollständigen Glanz verloren,
so dass keine von ihnen dort weder ganz,
noch auf vollständige Art und Weise vorhanden war.
Ihr Leuchten war in alle Richtungen
verdreht und zerstreut
und so ganz vermischt
in einem wilden Verhältnis,
dass so manche Veränderung

Dienstag, 26. August 2014

1401-1410

von meisterlicher kûre.
ein wunderlich mixtûre
ûz dem rîlichen apfel schein.
diu was verworren under ein
von aller hande glaste
sô sêre und alsô vaste,
daz keiner liehten varwe schîn
dâ volleclîche möhte sîn;
und was ir aller teil doch dâ.
wîz, brûn, rôt, gel, grüen unde blâ

und meisterliches Können.
Eine erstaunliche Mixtur
leuchtete aus dem kostbaren Apfel hervor.
Allerlei Glanz war dort
unlösbar miteinander verbunden;
so stark und auch so fest,
dass das Leuchten von keiner strahlenden Farbe
dort voll und ganz sein konnte –
und doch war von allen ein Teil da:
Weiß, braun, rot, gelb, grün und blau,

Montag, 25. August 2014

1391-1400

warfs' einen apfel schœne,
den ich mit lobe krœne
vür alle werden epfel noch,
und was er von zwein stücken doch
z'ein ander wol gelœtet.
ûz golde lieht gerœtet
sîn halbez teil gesmidet was;
daz ander stücke, als ich ez las,
schein durchslagen silberwîz.
an im lac hôher künste flîz

einen schönen Apfel.
Was alle herrlichen Äpfel anbelangt, ist es dieser,
den ich stets mit Lob krönen will;
er war freilich aus zwei Stücken
schön zusammengelötet.
Aus hellem, rötlichen Gold
war seine eine Hälfte geschmiedet;
der andere Teil, so hab’ ich es gelesen,
glänzte durch seinen Besatz silbern weiß.
An ihm zeigte sich große Kunstfertigkeit

[»durchslahen« meint (laut Lexers Handwörterbuch) »mit metallschmuck […] besetzen«.]

Freitag, 22. August 2014

1381-1390

Mit den gedenken und alsô
gie si dort hin, dâ Jûnô
mit iren zwein gespilen saz.
si wolte kriec, nît unde haz
dâ sæjen under dise drî.
für die götinne wandels vrî
verborgenlichen si dô schreit
und in sô lîser tougenheit,
daz man ir bildes niht enphant.
enmitten under si zehant

Mit diesen Gedanken und diesem Plan
ging sie dorthin, wo Juno
mit ihren zwei Freundinnen saß.
Sie wollte Streit, Neid und Hass
dort zwischen diesen dreien säen.
Ohne dass die drei makellosen Göttinnen sie sehen konnten,
ging sie dort verborgen umher,
so heimlich, still und leise,
dass man ihrer Erscheinung nicht gewahr wurde.
Mitten unter sie warf sie sogleich

[Man freut sich ja, wenn es im Neuhochdeutschen Phrasen gibt, die ziemlich gut zu passen scheinen; ich konnte mich deshalb nicht zurückhalten und habe die »leise Heimlichkeit« mit »heimlich, still und leise« übertragen.]

Donnerstag, 21. August 2014

1371-1380

vil schiere sich erhaben hât.
ich wirfe mîne scheidelsât
enzwischen si geswinde,
dâ von daz ingesinde
z'ein ander wirt verworren.
an hôher wunne dorren
der hof von mîner schulde muoz.
ich tuon im aller fröude buoz,
biz ich geriche an im den schaden,
daz ich dâ her niht wart geladen.‹

Streit und Zorn erhebt.
Ich werfe meinen Samen der Zwietracht
schnell zwischen sie,
so dass die Gemeinschaft
zwischen ihnen durcheinander gerät.
Die große Glückseligkeit des Hofes
muss durch mich vertrocknen.
Ich nehme alle Freude von ihm hinweg,
bis ich an ihm den Schaden gerächt habe,
der mir entstand, weil ich nicht hierher eingeladen worden bin.‹

Mittwoch, 20. August 2014

1361-1370

gestrichen ist von lande her,
sô wirt mîn friunt, her Jûpiter,
an êren und an wirde cranc,
wan in kein laster nie getwanc,
daz im sô nâhe wæge.
zwâr ich ensol niht træge
ze sînem ungefüere sîn,
wan ich geschicke an disen drîn
frouwen schœne und ûz erkorn,
daz under in kriec unde zorn

von weither gekommen ist,
dann schade ich dem Ansehen und der Ehre
meines Freundes, Herrn Jupiter,
weil ihm nie eine Schande bedrängte,
die ihm so nahe ging.
Ich bin, so viel steht fest, nicht zögerlich,
um ihm zu schaden,
wenn ich dafür sorge, dass sich unter diesen drei
schönen und auserwählten Damen
schon sehr bald

Dienstag, 19. August 2014

1351-1360

geschehen grœzer ungemach.
sît daz ich alsô rehte swach
in sînem herzen liuhte
und in sô bœse diuhte,
daz er mich her niht enluot;
sô wil ich sînen vrîen muot
mit herzeleide binden.
geschaffe ich, daz erwinden
muoz diu fröude manicvalt,
zuo der vil manic fürste balt

größeres Leid geschehen.
Wenn ich also so schwach
in seinem Herzen leuchte
und ihm so böse zu sein scheine,
dass er mich hierher nicht eingeladen hat,
so will ich an sein unbekümmertes Gemüt
tiefen Kummer heften.
Gelingt es mir, dass die allgemeine Freude
ein Ende findet,
zu der so mancher tapfre Fürst

Montag, 18. August 2014

1341-1350

Discordîa, diu hœne:
›sît dise frouwen schœne
die besten hie ze hove sint,
sô muoz ich hiute ein underbint
an ir holtschefte machen.
ir liep mit leiden sachen
wil ich besunder scheiden.
ist, daz ich in geleiden
kan ir friuntschaft iemer,
son mac dem wirte niemer

Discordia, die Zornige:
›Weil diese schönen Damen
hier am Hof die besten sind,
so muss ich heute ihre
Freundschaft auseinanderbringen.
Besonders ihrer Freude will ich mit
unerfreulichen Dingen ein Ende setzen.
Wenn es gelingt, dass ich ihnen
ihre Freundschaft für immer verhasst machen kann,
dann kann dem Gastgeber gar kein

Donnerstag, 31. Juli 2014

1331-1340

von ir schulden ungemach.
ze jungest si dâ sitzen sach
die werden götinn alle drî,
die wandels unde meines frî
durch guften und durch schallen
dô sâzen ob in allen,
als ich dâ vornen hân gezelt.
nû si die frouwen ûz erwelt
gesach sô rehte wunneclich,
seht, dô gedâhte wider sich

Leid geschehe.
Schließlich sah sie dort
alle drei edle Göttinnen sitzen,
die ohne Fehl und Tadel
wegen der lauten Rufe und dem Getöse
dort vor allen anderen saßen,
wie ich vorne schon erzählt habe.
Als sie nun die auserwählten und so
vergnüglichen Damen gesehen hatte,
seht, da dachte sie sich,

1321-1330

den fröudenrîchen hoveschal.
die liute mohtes' über al
wol geschouwen unde spehen,
und kunde nieman si gesehen
noch gehœren ûf dem plân.
si liez ir ougen umbe gân
in der wunneclichen schar
und nam des vlîzeclichen war,
wâ si die besten sæhe,
durch daz in dâ geschæhe

den freudvollen höfischen Trubel stoppen.
Sie konnte alle Leute
genau betrachten und erspähen
und niemand konnte sie dort auf
dem Platz sehen oder hören.
Sie ließ ihren Blick über
die vergnügliche Schar schweifen
und achtete eifrig drauf,
wo die Besten zu sehen waren,
damit ihnen dort wegen ihrer Vergehen

[Eigentlich will Discordia den »hoveschal« »vergiften«, aber das lässt sich wohl nicht so ohne Weiteres ins Neuhochdeutsche übertragen.]

Mittwoch, 30. Juli 2014

1311-1320

der edel und der fremde stein,
der von dem vingerlîne schein
und ûz im schône lûhte.
dekeinen man bedûhte,
daz er die frouwen sæhe,
diu mit gezierde wæhe
gie vor in allen unde stuont.
si tet, als alle die noch tuont,
die strîte wellent stiften,
und wolte dâ vergiften

der edle und fremdartige Stein,
der am Ring glänzte
und aus sich heraus schön leuchtete.
Niemand hatte den Eindruck,
die Dame zu sehen,
die mit kostbarer Pracht
vor ihnen allen ging und stand.
Sie tat das, was auch heute noch diejenigen tun,
die Streit stiften wollen,
sie wollte dort

Dienstag, 29. Juli 2014

1301-1310

nieman gesehen möhte ir lîp.
Discordîa, daz übel wîp,
truoc an ir hende ein vingerlîn,
daz kunde ir antlitz und ir schîn
verdecken wol mit sîner maht.
von sîner krefte alsô verdaht
wart ir menschlich bilde,
daz ir figûre wilde
wart in allen ûf dem plân.
diz wunder hete an ir getân

gesehen werden konnte.
Discordia, die böse Frau,
trug an ihren Händen einen Ring,
der die Kraft hatte, ihr Gesicht
und ihre Erscheinung zu verbergen.
Durch dessen Kraft wurde
ihre menschliche Erscheinung so verdeckt,
dass ihre Gestalt allen auf
dem Feld fremd blieb.
Dieses Wunder wirkte an ihr

Montag, 28. Juli 2014

1291-1300

und hete si versmâhet gar.
des kam si von ir selben dar
mit zorneclichen riuwen.
si wolte kriege briuwen
und alsô bitterlîche nôt,
daz manger sît gelæge tôt.
Nû merkent, wie si' z ane vienc.
bekleidet si nâch wunsche gienc
in daz gestüele tougen,
sô daz mit sînen ougen

und sie völlig verschmäht.
Deshalb kam sie aus eigenem Antrieb dorthin
mit zorniger Trauer.
Sie wollte zu Streit anstiften
und zu so schmerzvollem Elend,
dass mancher in der Folge sterben würde.
Passt auf, wie sie das anfing!
Mit Kleidung, die man sich nicht besser vorstellen kann,
ging sie heimlich dorthin, wo man saß,
so dass sie von niemandem

Freitag, 25. Juli 2014

1281-1290

durch daz si vröude swachte
und einen kriec dâ machte,
von dem sich hüebe ein michel strît.
daz si ze sîner hôchgezît
her Jûpiter der stæte
geladen niht enhæte,
dâ von leit si den smerzen,
daz trûren in ir herzen
lac unde zornes galle.
er luot die götinn alle

um das Glück zu trüben
und um dort einen Streit zu entfachen,
von dem ein großer Krieg ausgehe.
Dass sie Herr Jupiter, der Untadelige,
nicht zu seinem Fest
geladen hatte,
das war es, was sie schmerzte,
was sie in ihrem Herzen traurig machte,
und dort Zorn, Gift und Galle erregte.
Er hatte alle Göttinnen eingeladen

Donnerstag, 24. Juli 2014

1271-1280

vil dicke ûf werde hoveschar,
die si mit kriege sô verwar,
daz si ze strîte kâmen.
si kunde ir scheidelsâmen
wol under friunde sæjen,
dar umbe daz si mæjen
begunde schaden und verlust.
mit sô getâner âkust
hetes' al ir zît vertân.
si was erbeizet ûf den plân,

immer wieder auf angesehene Leute vom Hof gerichtet,
die sie mit Zwist und Zwietracht derart in Verwirrung versetzte,
dass sie zum Streiten gebracht wurden.
Sie war in der Lage, ihren Samen der Zwietracht
auch zwischen Freunden zu sähen,
so dass sie anfingen,
Leid und Verderben zu ernten.
Mit solcher Tücke
verbrachte sie all ihre Zeit.
Auf dem Feld stieg sie vom Pferd,

[»mæjen« meint natürlich eigentlich »mähen«; »ernten« scheint mir hier aber verständlicher zu sein.]

Mittwoch, 23. Juli 2014

1261-1270

mit hazze werde liute.
›discordiâ‹ ze tiute
ein missehellung ist genant,
dâ von der name wol bewant
was an ir lîbe schœne,
der nîdic unde hœne
bî wunneclichem bilde was.
swer an sich hôhe wirde las,
dem wart gevære si zehant.
ir haz den hete si gewant

und dafür zu sorgen, dass sich redliche Leute hassen.
Das, was ›discordia‹ meint,
nennt man Uneinigkeit;
deshalb passt der Name gut
zu ihrer schönen Erscheinung:
missgünstig und böswillig war sie,
auch wenn sie hinreißend aussah.
Jeder, der für sich große Ehre und hohes Ansehen errang,
dem war sie sofort feindlich gesinnt.
Ihren Hass, den hatte sie

[»bî wunneclichem bilde« stellt für das Neuhochdeutsche eine schwere Herausforderung dar, weil hier die Böswilligkeit unmittelbar neben die Schönheit gestellt wird, wofür ich im Neuhochdeutschen keine wirklich zufriedenstellende Lösung gefunden habe.]

Dienstag, 22. Juli 2014

1251-1260

geriten kam ein frouwe stolz,
die sach man nider für daz holz
ûf die plânîe erbeizen.
Discordiâ geheizen
was daz wol getâne wîp;
mit rîcher wæte was ir lîp
gezieret und bevangen;
doch hete si begangen
vil dicke wandel unde mein.
si kunde werren under ein

eine stolze Dame geritten,
die man auf dem Weg zum Wald
auf dem Feld absitzen sah.
Discordia wurde die
schöne Frau genannt;
mit kostbarer Kleidung war sie
geschmückt und umhüllt;
allerdings war sie sehr häufig
für Übles und Frevelhaftes verantwortlich.
Sie war in der Lage, Zwietracht zu stiften

Montag, 21. Juli 2014

1241-1250

den göten und der künige schar,
die zuo dem hove kâmen dar,
dur daz si dâ beliben vrô.
nû Pallas unde Jûnô
sâzen dâ gezieret sus
und diu götinne Vênus
in beiden saz vil nâhe bî,
seht, dô wurdens' alle drî
gereizet balde ûf einen strît.
ûf einem blanken pferde sît

für die Götter und die Schar der Könige,
die dorthin zu dem Hof kamen,
um dort glücklich zu sein.
Als nun Pallas und Juno
dort so schön ausstaffiert saßen
und ganz nahe bei ihnen beiden
die Göttin Venus saß,
schaut, da wurden alle drei bald
zu einem Streit gereizt.
Auf einem weißen Pferd kam als nächstes

[Sollte man mhd. »vrô« mit nhd. »froh« übersetzen? Oder ist hier nicht eher »glücklich« gemeint? Ich entscheide mich hier für letzteres.]

Freitag, 18. Juli 2014

1231-1240

ze wunder ane blicte.
ir drîer clârheit schicte,
daz manger dâ begunde jehen:
›ach got, wan solt ich iemer sehen
und êweclichen schouwen
dis ûz erwelten frouwen,
der leben ist sô vollekomen!‹
sus hete ir minne an sich genomen
vil ougen unde herzen.
si bâren jâmersmerzen

als ein Wunder anstaunte.
Der reine Glanz von den dreien bewirkte,
dass dort so mancher zu sagen begann:
›Gott, ach, könnte ich doch für immer sehen
und auf ewig anschauen
diese auserwählten Damen,
deren Leben so vollkommen ist!‹
Auf diese Weise hatte ihre Liebeswürdigkeit
viele Augen und Herzen für sich eingenommen.
Mit sich brachten sie Jammer und Schmerzen,

[Da mir nhd. »anschauen« für mhd. »anblicken« zu schwach zu sein scheint, weiche ich auf »anstaunen« aus. Ich übersetze »minne« hier nicht mit »Liebenswürdigkeit«, was meines Erachtens zu schwach wäre, sondern etwas kreativer mit »Liebeswürdigkeit«. Das »bâren« ist schwer zu übersetzen; ich versuche es mit »mit sich bringen«, bin damit aber nicht ganz glücklich; »in sich trugen« ist aber miss- oder gar unverständlich.]

Donnerstag, 17. Juli 2014

1221-1230

erwelte margarîten
in bâren zuo den zîten.
Die selben götinn alle drî
schœn unde missewende frî
wâren sô liutsælic gar
und alsô rehte wunnevar
an lîbe und an gezierde grôz,
daz manic lûter ouge entslôz
ûf der hôchgezîte sich,
daz die götinne keiserlich

ausgesuchte Perlen
durchleuchtenden Glanz darboten.
Alle drei Göttinnen waren
schön und frei von schlechtem Handeln
und so ganz und gar leutselig
und so ganz wonnevoll anzusehen
was den Körper und auch das schmuckvolle Auftreten anbelangt,
dass sich bei diesem Fest
so manch reines Auge auftat,
das die königlichen Göttinnen

[Ich bin mir nicht sicher, was genau hier mit dem »entsliezen« der Augen gemeint ist. Die grundlegende Bedeutung dürfte »aufschließen«, »öffnen« sein. Ich übersetze, um die Formulierung nicht zu einfach werden zu lassen »auftun«.]

Mittwoch, 16. Juli 2014

1211-1220

mit swacher missewende.
der Wunsch mit sîner hende
vor wandel hete si getwagen.
si kunden laster in ir tagen
und allen valsch vermîden.
von liehter ziclâtsîden
ir cleider stuonden wol geweben,
und wâren lîsten unde reben
von golde rôt gedrungen drîn,
dar ûz durchliuhteclichen schîn

durch schlechte, schändliche Handlungen.
Die Idealvorstellung mit ihren Händen hatte sie
von Wandelbarkeit reingewaschen.
Sie waren im Stande, in ihrer Zeit
Schande und alle Treulosigkeit zu vermeiden.
Ihre Kleider waren gewebt
aus heller Ziklatseide
und darin waren Borten und Goldstickereien
mit rotem Gold durchflochten,
von dem ihnen zu dieser Zeit

[Wie übersetzt man »ziclâtsîde« (und: was ist das)?]

Dienstag, 15. Juli 2014

1201-1210

und gap durchliuhteclichen schîn.
Vênus, der minne künigin,
diu beidiu schœne und edel schein,
diu was diu dritte nâch den zwein,
und saz gezieret schône.
von golde ein rîlich crône
ir iegelicher houbet hie
vil werdeclichen umbevie
und was dar ûf gesetzet.
ir lîp was niht geletzet

und verbreitete alles durchleuchtenden Glanz.
Venus, die Königin der Liebe,
Die sowohl auf schöne wie auch auf edle Weise leuchtete,
die war zu diesen beiden die dritte
und saß – schön geschmückt.
Eine herrliche Krone aus Gold,
die ihnen aufgesetzt worden war,
umfing hier den Kopf
einer jeden von ihnen auf würdevolle Weise.
Sie waren nicht erniedrigt

Montag, 14. Juli 2014

1191-1200

mit schœne z'in gemâzen;
dâ von si z'obrest sâzen
schôn und gewalteclîche dô.
daz eine was frô Jûnô,
diu rîcheit unde guotes pflac.
an ir sô ganziu wirde lac,
daz si gestalt nâch wunsche was.
daz ander was vrô Pallas,
ein götinn aller wîsheit,
diu saz rîlîche dâ bekleit

sich in Sachen Schönheit mit ihnen zu vergleichen;
deshalb saßen sie dort – wie es
angesichts ihrer Macht angebracht war – am höchsten.
Die eine war Frau Juno,
die reich und mächtig war.
Wegen der Würde, die ihr so vollends zukam,
entsprach ihr Aussehen dem Idealbild.
Die zweite war Frau Pallas,
eine Göttin aller Weisheit,
die saß dort herrlich bekleidet

Freitag, 11. Juli 2014

1181-1190

in bâren schaten unde luft.
durch ruomes und durch schalles guft
gezieret wâren si nâch lobe.
in allen wirdeclichen obe
sâzen drî götinne,
die leben unde sinne
mit tugende kunden gesten.
si wâren dâ die besten
vor der plânîe vorste.
kein frouwe sich getorste

boten, Schatten und frischen Wind.
Wegen des Ruhms und der lauten Rufe
hatten sie sich so herausgeputzt, dass sie Bewunderung erregten.
Auf würdevolle Art und Weise
saßen ihnen allen drei Göttinnen vor,
die in der Lage waren, ihr Leben und ihren Verstand
mit Tauglichkeit zu verbinden.
Sie waren dort die Besten
vor dem Wald bei der Ebene.
Keine Dame wagte es,

[Was genau mit dem »leben« gemeint ist, dem die Göttinnen »Tauglichkeit« beigesellen, ist mir nicht klar.]

Donnerstag, 10. Juli 2014

1171-1180

der man ze hôchgezîte gert.
die geste rîlich unde wert
die wâren hübisch unde geil
und heten hôher fröuden teil,
die man zer welte haben sol:
in allen was von herzen wol.
In dirre wunne schalle
wâren die götinn alle
gesezzen ûf gestüele,
dâ vrische boume küele

die man von einem Fest verlangt, fehlte es dort.
Die herrlichen und angesehenen Gäste,
die waren höfisch und fröhlich
und erlebten besondere Freuden,
wie man sie sich auf der Welt nur wünschen kann.
Ihnen allen ging es von Herzen gut.
Inmitten dieser lustvollen Geräuschkulisse
hatten sich die Göttinnen alle
auf Stühle gesetzt,
wo junge Bäume ihnen Kühle

Mittwoch, 9. Juli 2014

1161-1170

beidiu frouwen unde man;
dâ gleiz vil manic fürspan
und manic edel schapellîn,
dâ bôt durchliuhteclichen schîn
diu gimme und daz gesmîde:
der purper und diu sîde
ir glanz dar under wâben;
dar zuo die bluomen gâben
und diu sunne liehten glast.
dekeiner wunne dâ gebrast,

von sowohl Damen wie auch Herren gesungen;
dort glänzte so manche Spange
und manch edler Kranz;
dort boten die Edelsteine und das Geschmeide
einen alles durchleuchtenden Schein;
Seidenstoffe verschiedener Farben
flochten ihr Leuchten ein;
dazu verströmten die Blumen
und die Sonne hellen Glanz.
An keiner Herrlichkeit,

[»fürspan« bezeichnet eine Spange, die ein Gewand vorne zusammenhält. »purper« ist laut Lexers Handwörterbuch ein kostbarer Seidenstoff von verschiedener Farbe.]

Dienstag, 8. Juli 2014

1151-1160

bech unde manic brünnelîn,
daz mit dem süezen fluzze sîn
die wisen kunde erfiuhten.
man sach dâ verre liuhten
golt, silber und gesteine,
daz manic wilde feine
truoc an ir liehten wæte.
dâ was vil grôz geræte
von tranke und ouch von spîse;
dâ sungen süeze wîse

Bäche und so manchen kleinen Brunnen fließen,
die mit ihrem lieblichen Fluss
die Wiesen befeuchteten.
Man sah dort weithin leuchten,
Gold, Silber und Edelsteine,
die manch wilde Fee
an ihrer glänzenden Kleidung trug.
Dort gab es eine große Fülle
an Getränken und auch Speisen;
dort wurden angenehme Melodien

Montag, 7. Juli 2014

1141-1150


und alsô glanz diu sunne,
daz von ir michel wunne
sich huop ûf der plânîe.
die boume und ir flôrîe
die bâren schaten unde luft.
ir bleter und ir blüete kluft
ze fröuden heten sich gestalt.
ein vôrest und ein grüener walt
nâch an den anger stiezen,
dar ûz sach man dâ fliezen

und die Sonne so leuchtend,
dass sich durch sie große
Behaglichkeit auf dem Feld ausbreitete.
Die Bäume und ihre Blüten
boten frischen Wind und Schatten.
Ihre Blätter und ihre gespaltenen Blüten
hatten sich so hergerichtet, dass sie Freude erweckten.
Ein Forst und ein grüner Wald
stießen in der Nähe an die Wiese.
Von dort her sah man da

[In Lexers Handwörterbuch werden für mittelhochdeutsch »luft« auch die Bedeutungen »Luftzug« und »Wind« angegeben. Ich übersetze »frischen Wind«. Was unter der »kluft« der Blüten zu verstehen ist, hat mir einiges Nachdenken gekostet. »kluft« kommt von »klieben« – neuhochdeutsch »spalten« – und dürfte auf die Form der Blüten verweisen.]

Freitag, 4. Juli 2014

1131-1140

dâ stuonden wol geverwet
und heten sich gegerwet
in liehten wunneclichen schîn.
diu wilden cleinen vögellîn
diu sungen ûf den esten
den hovelichen gesten
sô rîlîch in ir ôre,
daz in der himele kôre
möht ir gedœne erclungen sîn.
ouch was daz weter alsô vîn

standen da in schönen Farben
und hatten sich in helles,
anmutiges Leuchten gekleidet.
Die kleinen wilden Vögelchen,
die sangen auf den Ästen
den höfischen Gästen
so herrlich in ihr Ohr,
dass ihr Klang ebenso gut
in den Chören des Himmels hätte erklingen können.
Auch war das Wetter so angenehm,

Donnerstag, 3. Juli 2014

1121-1130

dekeinen plân beschouwen,
den ritter unde frouwen
sô kostbærlîche zierten.
ouch spilten unde smierten
rôsen, vîol unde bluot
in manges edelen herzen muot
durch der ougen bürgetor.
in den luft vil hôhe enbor
klanc vil manic stimme lût.
bluomen, gras, loup unde crût

irgendeine Ebene betrachten,
die von Rittern und Damen
so kostbar geschmückt war.
Auch leuchteten und lächelten
Rosen, Veilchen und Blüten
durch das Burgtor der Augen
in das Gemüt manch edlen Herzens.
Ganz hoch empor in die Luft
klang laut so manche Stimme.
Blumen, Gras, Laub und Kräuter

Mittwoch, 2. Juli 2014

1111-1120

gezoges vil an sich genomen
und was zer hôchgezîte komen
nâch küniclichen êren.
den hof begunde er mêren
werdeclichen ûf dem grase,
dâ beide bluomen unde wase
zierten anger unde velt.
vil manic keiserlich gezelt
was geslagen ûf den clê.
man dorfte weder sît noch ê

viel Waffen angelegt und war so,
wie es dem Ansehen eines Königs gebührt,
zum Fest gekommen.
Auf würdevolle Weise vergrößerte
er die Hofgesellschaft auf der Wiese,
wo sowohl Blumen als auch Gras
Feld und Wiese schmückten.
So manches königliches Zelt
war dort auf dem grünen Klee aufgeschlagen.
Weder zuvor noch seitdem konnte man


[Ich übersetze »keiserlich« mit »königlich«, weil das Konzept des Königtums den heutigen Lesern näher und verständlicher sein dürfte als das Konzept des Kaisertums. Den »Klee« ergänze ich mit dem Adjektiv »grün«, weil der »Klee« im heutigen Deutsch vor allem als feste Wendung in Verbindung mit diesem Adjektiv (noch einigermaßen) gebräuchlich ist.]

Dienstag, 1. Juli 2014

1101-1110

dennoch in dem gevilde.
diz mære in beiden wilde
was und ir vater Prîamô.
si wisten umb in cleine dô,
wan si des heten wol gesworn,
daz der jungelinc verlorn
in dem walde wære:
dô was der hovebære
beliben harte wol gesunt.
sîn vater hete bî der stunt

damals noch in der wilden Abgeschiedenheit lebte.
Von dieser Sache wussten die beiden
nichts, auch nicht ihr Vater Priamus.
Sie wussten zu dieser Zeit nichts von ihm,
weil sie gewiss geschworen hätten,
dass der Jüngling in dem Wald
umgekommen sei:
Doch war der höfische,
voll und ganz gesund geblieben.
Sein Vater hatte zu diesem Zeitpunk

[Das immer etwas schwierig zu übersetzende »gevilde« übertrage ich mit »wilder Abgeschiedenheit«. Das »verloren«-sein des »jungelinc« mit »umkommen« – auch wenn »verloren« wohl allgemeiner ist.]

Montag, 30. Juni 2014

1091-1100

geblüemet schône wart alsus.
dar kam der künic Prîamus
von Troye und zwêne sîner süne,
die sâzen ûf der tugende büne
schôn unde werdeclîche enbor:
der eine der hiez Hector
und Elenus der ander;
ir swester hiez Cassander
und was vil hübisch unde wîs:
sô wonte ir bruoder Pârîs

mit großem Renommee schön geziert.
Dorthin kam der König Priamus
von Troja und zwei seiner Söhne;
die saßen auf schöne und würdevolle Weise oben
auf der Bühne der Tugend.
Der eine hieß Hector
und Elenus der andere;
ihre Schwester hieß Cassander
uns war sehr kultiviert und klug.
Während doch ihr Bruder Paris

Freitag, 27. Juni 2014

1081-1090


mit netzen und mit stricken
und hiez ouch mit ir schricken
hirze, rêher unde swîn.
hie sol der zal ein ende sîn
von den götinnen über al.
wer möhte ir namen bî der zal
ze rechenunge bringen,
die zuo dem hove dringen
begunden unde kêren!
Diu hôchgezît mit êren

mit Netzen und mit Stricken
und sie sorgte auch dafür, dass Hirsche,
Rehe und Schweine mit ihr trabten.
Hier soll die Aufzählung der
zahlreichen Göttinnen ein Ende finden.
Wer könnte Rechenschaft über die ganze Anzahl
ihrer Namen ablegen?
Sie, die begannen, sich dem Hof
zuzuwenden und sich dorthin zu drängen.
Das Fest wurde auf diese Weise

[»schricken« hat wohl etwas mit »springen« zu tun; ich versuche, mir mit »traben« zu behelfen, weil »springen« in diesem Zusammenhang meines Erachtens etwas seltsam klänge.]

Donnerstag, 26. Juni 2014

1071-1080

diu der wazzer hete gewalt
und zuo den êren was gezalt,
daz si dâ solte werden brût,
diu lie durch bluomen und dur crût
dâ fliezen einen clâren bach,
der schuof den gesten rîch gemach
ûf dem erwelten plâne.
ein götin hiez Dyâne
und pflac der jegerîe,
diu kam zuo der plânîe

die Macht über das Wasser hatte
und der die Ehre zuteil wurde,
dass sie dort Braut sein sollte,
die ließ dort durch Blumen und durch Kräuter
einen klaren Bach fließen,
der den Gästen auf der wunderbaren Wiese
große Annehmlichkeit bereitete.
Eine Göttin wurde Dyane genannt
und kümmerte sich um die Jägerei.
Die kam auf das Gelände

Mittwoch, 25. Juni 2014

1061-1070

gar lûterlîche ûz ir gewalt,
der mit sîme fluzze kalt
fröut ôren unde sinne.
der bluomen küniginne
geheizen Amadryades
ze hove wielten eteswes,
daz den ougen nütze was.
geströuwet hetens' ûf daz gras
rôsen, vîol unde clê.
Thêtis, ein frouwe von dem sê,

weil sie es vermochten ganz hell und klar,
der mit seiner kalten Strömung  
Ohren und Sinne erfreute.
Die Königin der Blumen,
Amadryades geheißen,
kümmerte sich am Hof um alles das,
was den Augen angenehm war.
Auf das Gras hatten sie
Rosen, Veilchen und Kleeblätter gestreut.
Thetis, eine Dame vom Meer,

[Das »ûz ir gewalt« – also »durch ihre Macht« – übersetze ich etwas anschaulicher mit »weil sie es vermochten«.]

Dienstag, 24. Juni 2014

1051-1060

die minne kêret, war si wil,
diu kam zer hôchgezîte spil
schôn unde werdeclichen ouch.
ein fiurîn vackel âne rouch
schein ûz ir wunneclichen hant.
die frouwen Nâjades genant,
die der fontânen wielten,
ze hove ir stat behielten
mit fröudebernder wunne.
dâ clanc vil manic brunne

die Minne lenkt, wohin sie will,
die kam – reizend und würdevoll –
zu den festlichen Vergnügungen.
Eine brennende Fackel ohne Qualm
leuchtete aus ihrer liebreizenden Hand.
Die Damen, die man Najades nannte,
die auf Quellen und Bäche achtgaben,
blieben am Hof auf ihrem Posten –
ein beglückendes Vergnügen!
Dort erklang gar mancher Brunnen

[Wie soll man die Bemerkung übersetzen, dass Venus »schôn« zum Fest kommt? Ich denke, man müsste nach einem »Allerweltswort« greifen, was ich mit »reizend« versuche. »fontânen« übersetze ich, um das Bedeutungsspektrum anzuzeigen, mit »Quellen und Bäche«. Bei dem Hinweis, dass die Najaden »ir stat behielten«, bin ich mir nicht sicher, was gemeint ist.]

Montag, 23. Juni 2014

1041-1050

mit kostbærlichen tuochen.
von hôher liste buochen
brâhtes' eine bürde,
dar an bewæret würde
ir witze und ir bescheidenheit.
Cêres, ein frouwe vil gemeit,
der tugent aller sæte pflac,
diu fuorte dâ vil manigen sac
mit korne ûf einem soume.
Vênus, diu mit ir zoume

mit kostbaren Stoffen.
Bücher von großer Weisheit
brachte sie in großen Mengen.
Daran zeigte sich ihr Wissen
und ihr Verstand.
Ceres, eine lebensfrohe Dame,
war für die Tauglichkeit allen Saatguts zuständig.
Sie brachte dorthin auf einem Tragtier
so manchen Sack mit Korn.
Venus, die mit ihrem Zügel

Mittwoch, 18. Juni 2014

1031-1040

die Dryades noch sint genant,
die wâren ouch dâ hin besant
und heten brâht vil manic rîs,
daz mit bluote in alle wîs
gezieret was vil schône
und mit der vogele dône
besungen wart rîlîche.
Pallas, diu künsterîche,
ein götinn aller wîsheit,
ze hove wol gezieret reit

die noch immer Dryades genannt werden,
die wurden auch dorthin geschickt
und hatten viele Zweige mitgebracht,
die auf vielerlei Weise
mit Blüten schön geschmückt waren
und vom Gesang der Vögel
herrlich besungen wurden.
Pallas, die kenntnisreiche,
eine Göttin aller Weisheit,
ritt zum Hof, schön zurechtgemacht,

Dienstag, 17. Juni 2014

1021-1030

Diz was ir beste prîsant dô.
des wirtes wîp, vrô Jûnô,
diu schatzes unde guotes wielt
und allen rîchen hort behielt,
diu kam dâ hin gezieret wol.
von silber und von golde vol
brâhte si dar manigen schrîn.
si wolte ir aller frouwe sîn
wan si was dâ wirtinne.
der boume küniginne,

Das war dort das beste Geschenk.
Die Frau des Hausherren, Frau Juno,
die für Gut und Geld zuständig war
und alle großen Schätze in ihre Obhut nahm,
die kam – schön zurechtgemacht – dorthin.
So manche Kiste brachte sie mit,
die voll waren mit Silber und Gold.
Sie wollte die Herrin von ihnen allen sein,
weil sie ja dort Hausherrin war.
Die Königinnen der Bäume,

Montag, 16. Juni 2014

1011-1020

an disen hof kêrt unde zôch.
die götinn aller berge hôch,
Orêades genennet,
schœn unde rîch erkennet
zer hôchgezît sich huoben.
si suochten unde gruoben
gesunde würze reine
und ûz erwelt gesteine:
der zweiger brâhten si dô vil
zuo der hôchgezîte spil.

diesem Hof zuwandte und dorthin reiste.
Die Göttinnen aller hohen Berge,
die Oreades genannt wurden,
und um deren Schönheit und Macht man wusste,
machten sich auf zum Fest.
Sie suchten gesunde,
reine Kräuter, die sie ausgruben,
und erlesene Steine:
Viel von beidem brachten sie
dorthin zu den festlichen Vergnügungen.

Freitag, 13. Juni 2014

1001-1010

ein got, der hiez Neptûne
und erkande wol die lûne
der wazzer und der wilden mer,
dâ von muost er des hoves her
mit schiffen leiten über sê.
der hôhen göte sol ich mê
niht lâzen iuch erkennen.
der feinen wil ich nennen
und der götinnen ouch ein teil,
der manigiu frœlich unde geil

ein Gott, der Neptune genannt wurde
und der die Launen der Wasser
und der wilden Meere genau kannte,
deshalb musste er den Herr des Hofes
mit Schiffen über das Meer geleiten.
Von den hohen Göttern will ich euch
keine weiteren zu erkennen geben.
Von den Feen will ich einige nennen
und auch ein paar der Göttinnen,
von denen sich so manche lustig und fröhlich

Donnerstag, 12. Juni 2014

991-1000

brâhte dar ze stiure.
den hof durch âventiure
wolt er mit wîne blüemen sus.
ein got hiez Eminêus,
der aller briuteloufte wielt,
der kam ouch dar, wan der behielt
sîn stat vil wol dâ under in.
daz heiltuom daz brâht er dâ hin,
dâ man den briutelouft ûf swuor.
ze dirre hôchgezîte fuor

als Gabe mitbrachte.
Damit wollte er, der Abenteuer wegen,
den Hof mit Wein schmücken.
Ein Gott wurde Emineus genannt,
er war für alle Hochzeiten zuständig,
auch der kam dorthin, weil er
seine Stellung unter ihnen gut zu bewahren wusste.
Das Heiligtum, worauf man bei der Hochzeit seinen Schwur ablegte,
das brachte er dorthin mit.
Zu diesem Fest fuhr

[Kann man »walten« mit »zuständig sein« übersetzen? Ich denke, das geht – zumindest dann, wenn es um Götter geht…]

Mittwoch, 11. Juni 2014

981-990

mit brieven und mit mæren.
man sach den helfebæren
dâ gerne bî der stunde,
dur daz von sînem munde
vlôz aller hande sprâche.
des wînes got, her Bâche,
der von êrst erdâhte most,
der kam dâ hin mit rîcher kost,
wan er vil manic fuoder
durch trinken und durch luoder

mit Briefen und Neuigkeiten.
Man sah dort und zu dieser Zeit
den Hilfreichen gerne,
denn aus seinem Mund flossen
allerhand Sprachen.
Der Gott des Weines, Herr Bache,
der sich zuerst den Most ausgedacht hat,
der kam dorthin mit aufwändigen Speisen,
weil er so manche Wagenladung
zum trinken und schlemmen

Dienstag, 10. Juni 2014

971-980

und ir gewalteclich gebot.
Mercurius der werde got,
der alle zungen wol vernam,
der fuor mit êren unde kam
zuo dirre hôchgezîte.
er was erkennet wîte,
wan er was aller göte bote
und seite eim iegelichen gote,
swaz boteschefte in ane gienc.
ein bühse an sînem gürtel hienc

und deren gewaltiges Gesetz beigebracht hatte.
Mercurius, der herrliche Gott,
der alle Sprachen gut verstand,
der war würdig unterwegs und kam
so auch zu diesem Fest.
Er war weit und breit bekannt,
weil er der Bote aller Götter war
und jeder Gott sagte ihm alle
Botschaften, die auszurichten waren.
An seinem Gürtel hing eine ein Behälter

Freitag, 6. Juni 2014

961-970

unfuoge reizen wolte,
daz er daz weren solte
mit kraft und mit gesmîde.
ein got der hiez Cupîde
und was der minne schütze:
der wart dem hove unnütze,
wan er kam dô hin dur bîl
und fuorte bogen unde pfîl,
dâ mite er manigen sêrte,
als in diu minne lêrte

Tumult provozieren wollte,
das würde abwehren können –
mit seiner Kraft und mit geschmiedetem Metall.
Ein Gott hieß Cupide
und war der Liebesschütze:
der brachte der höfischen Versammlung Schaden,
denn er kam dorthin, um den Widerstand zu brechen
und er hatte Pfeil und Bogen bei sich,
mit denen er so einige derart verletzte,
wie es ihm die Liebe

Donnerstag, 5. Juni 2014

951-960

mit latwerjen ûz erkorn,
der man ungerne hæte enborn
zuo dirre hôchgezîte.
her Mars, der aller strîte
mit sîner meisterschefte pflac,
der kam ouch ûf des hoves tac
gewâpent mit den sînen.
er wolte gerne schînen
in stahelringen spiegelvar,
ob ieman in der hoveschar

mit erlesenen Latwergen,
auf die man bei diesem Fest
ungern verzichtet hätte.
Herr Mars, der sich um alle Kämpfe
mit seiner Kunstfertigkeit kümmerte,
auch der kam mit seinen Leuten
in voller Rüstung auf das Hoffest.
Er wollte gerne glänzen,
in blitzeblanken Stahlringen,
damit er, wenn jemand aus der Menge des Hofes

[Sollte man »gewâpent« mit »gewappnet« übersetzen? Die heutige Assoziation geht ja dahin, das Adjektiv im Sinne von »verteidigungs-« oder »kampfbereit« zu verstehen und das ist ja nicht gemeint. Ich entscheide mich für »in voller Rüstung«, wobei dabei verloren gehnt, dass damit auch ein einheitliches und zeichenhaftes Auftreten einhergeht.]

Mittwoch, 4. Juni 2014

941-950

het er gezieret und bereit
nâch küniclicher rîcheit;
wan dâ was michel volle.
dar nâch kam her Apolle
ze hove in einer kurzen vrist,
der aller arzenîe list
von êrst in sînem herzen vant.
sîn apotêke was besant
mit im ûf den grüenen plân,
dâ sach man bühsen inne stân

ließ er schmücken und vorbereiten,
wie es sich für königliche Macht und Pracht gehört,
denn dort gabe es alles im Überfluss.
Sehr bald danach
kam zum Hof Herr Apoll,
der als erster alles Wissen um Heilmittel
in seinem Herzen aufgefunden hat.
Seine Sammlung von Arzneimitteln wurde
mit ihm auf das grüne Feld gebracht.
Man konnte darin Büchsen stehen sehen,

[Die »rîcheit« in Vers 942 habe ich mit »Macht und Pracht« übersetzt, um die beiden zentralen Bedeutungsmöglichkeiten des Wortes abzubilden. »plân« ist eher die »Ebene« als das »Feld«, aber »grüne Ebene« klingt in meinen Ohren ein wenig schief.]

Dienstag, 3. Juni 2014

931-940

und an kunst was vollebrâht,
des wirt besunder hie gedâht,
wan ich entsliuze sîniu dinc.
her Jûpiter, ein ursprinc
aller stolzen hübescheit,
der hete sînen hof geleit
ûf eine wisen liehtgevar:
dâ von was er der êrste dar
zuo dem erwelten brüele.
die tische und daz gestüele

und sich kunstfertig betätigt hat,
wird von mir besonders hervorgehoben,
indem ich seine Errungenschaften präsentiere.
Herr Jupiter – ein Ursprung
aller prächtigen Höfischkeit –,
der ließ seinen Hof
auf einer glänzenden Wiese stattfinden;
Deshalb war er der dort als erster
auf dem erwählten Rasen.
Die Tische und die Sitzgelegenheiten

Montag, 2. Juni 2014

921-930

vil der genôze sîn besant.
ir würde gnuoc von mir genant,
die zuo dem hove kâmen,
wan daz ich gerne râmen
gelimpfes unde fuoge wil:
der rede würde ein teil ze vil,
solt ich ir iegeliche zeln.
ich wil die besten ûz in weln
und ir namen künden.
swer under in an fünden

viele seiner Freunde eingeladen.
Von denen, die an den Hof kamen,
könnte ich sehr viele nennen,
allerdings will ich mich
an Anstand und Höflichkeit halten:
Die Erzählung würde etwas zu lang,
wenn ich alle von ihnen aufzählen müsste.
Ich will die besten von ihnen auswählen
und ihre Namen bekanntmachen.
Jeder von ihnen, der erfinderisch war

Freitag, 30. Mai 2014

911-920

und viel si wunder guotes an.
doch was ir aller houbetman
her Jûpiter, als ich ez las.
wan er sô künsterîche was,
daz er mit zouberlicher maht
ir aller wîsheit übervaht.
Der selbe got, her Jûpiter,
zuo dirre hôchgezîte her
hete ûz wüesten welden
und von den wilden velden

und über so manch Vermögen verfügten sie, Wunder zu wirken.
Doch war der Hauptmann von ihnen allen,
so habe ich gelesen, Herr Jupiter.
Er nämlich war so kenntnisreich,
dass er all ihre Kunst
mit Zauberkraft besiegte.
Eben dieser Gott, Herr Jupiter,
hatte aus verlassenen Wäldern
und von verwilderten Feldern
her zu diesem Fest

[Der Vers 911 bereitet mir etwas Kopfzerbrechen. »anvallen« könnte »zukommen« heißen – was ich hier allerdings mit »verfügen« übersetze. Mit »guot« dürfte »Besitz, Vermögen« gemeint sein.]

Donnerstag, 29. Mai 2014

901-910

daz kunden si gemachen
mit künstebæren sachen
und mit ir hôhen meisterschaft.
stein unde guoter würze kraft,
dies' in der wilde funden,
die schuofen z'allen stunden
an in sô wunderlîchiu werc,
daz manic walt und manic berc
nâch ir helfe ersuochet wart.
si wâren gar von rîcher art

Das gelang ihnen
mit Hilfe ihres Könnens
und mit Hilfe ihrer großen Kunstfertigkeit.
Diejenigen, die im dichten Gehölz
Steine und gute, kraftvolle Wurzeln fanden,
an denen vollbrachten sie stets
so erstaunliche Taten,
dass so mancher Wald und mancher Berg
nach ihrer Hilfe abgesucht wurde.
Sie waren ganz und gar von mächtiger Abstammung

[Würde man »wild« in Vers 905 mit »Wildnis« übersetzen, dürfte das falsche Assozationen wecken. Ich versuche es mit »dichtem Gehölz«. Bei den darauffolgenden Versen bin ich mir unsicher, wer an wem und womit handelt. Die Übersetzung versucht, die Unsicherheit nicht aufzulösen, sondern abzubilden.]

Dienstag, 27. Mai 2014

891-900

ze walde ûf wilden riuten,
dur daz si vor den liuten
einvaltic unde kiusche
verhælen ir getiusche,
dâ mite si die welt betrügen
und an sich tumbe tôren zügen,
die si für gote erkanden
und in ir opfer sanden
mit vorhten und ir prîsant.
in diente guot, liut unde lant,

im Wald und an wilden, noch nicht lange abgeholzten Orten leben,
damit sie vor den einfältigen
und unverdorbenen Leuten
ihre Täuschungen verbergen konnten,
mit denen sie die Welt betrogen
und dumme Einfaltspinsel um sich versammelten,
die sie als einen Gott anerkannten
und ihnen angsterfüllt ihre Opfer
und Geschenke zukommen ließen.
Ihnen war Besitz, Land und Leute zu Diensten.

Montag, 26. Mai 2014

881-890

für einen got der selben kunst,
und truogen im die liute gunst
dur daz meisterlîche dinc,
daz alsô niuwer fünde ursprînc
von êrst ûz sînem herzen flôz.
man bôt in allen wirde grôz,
die dirre dinge pflâgen.
si wonten unde lâgen
ûf bergen und in klûsen
und wolten gerne hûsen

als ein Gott dieser Kunst anerkannt
und die Leute waren ihm gewogen
wegen der meisterlichen Leistung,
dass eine so neu entdeckte Erfindung
zuerst aus seinem Herzen entsprang.
Man behandelte sie alle mit großer Wertschätzung,
die mit solchen Dingen umgingen.
Sie lebten und lagen
auf Bergen und in Einöden
und wollten gerne

[Ich übersetze den »niuwer fünde ursprînc« mit der »neu entdeckte[n] Erfindung«, weil der »Ursprung« schwer im heutigen Deutsch wiederzugeben ist. Allerdings gibt die »Entdeckung« nicht so ganz das wieder, was im »Ursprung« steckt.

Die »klûsen«, also die Klausen, übersetze ich mit »Einöden«, weil mir das verständlicher zu sein scheint.]

Freitag, 23. Mai 2014

871-880

müeste an beten iemer sît.
ouch lebten gnuoge bî der zît,
die zouberære wâren
und wunder in den jâren
mit gougelwîse worhten.
die wurden ouch mit vorhten
für göte dâ geschrîet an.
und ob ein sinnerîche man
schœn unde niuwe liste vant,
der wart ouch bî der zît erkant

seit dieser Zeit hat anbeten müssen.
Überhaupt lebten damals viele,
die zaubern konnten
und in dieser Zeit mit Zauberlist
Wunder vollbrachten.
Auch die wurden damals aus Furcht
als Götter angebetet.
Und wenn jemand, der klug war,
gute und neue Künste erfand,
dann wurde auch der mit der Zeit

Donnerstag, 22. Mai 2014

861-870

wan daz ir krefteclich gewalt
was michel unde manicvalt
von kriutern und von steinen.
ir nützen und ir reinen
art si wol erkanden
und tâten in den landen
von ir tugende krefte
und mit ir meisterschefte
sô manic wunder wilde,
daz man dâ von ir bilde

Allerdings war ihre einflussreiche Macht
durch Kräuter und Steine
groß und vielfältig.
Ihren Nutzen und ihre ungetrübten
Eigenschaften kannten sie genau
und sie wirkten in den Landen,
weil sie aus sich heraus mächtig waren,
mit ihrer Kunstfertigkeit
so manches wilde Wunder,
so dass man deshalb ihr Abbild

[Bei der Übersetzung von »krefteclich gewalt« bin ich mit meiner Lösung wenig zufrieden. Bei »krefteclich« wäre meines Erachtens ein Begriff sinnvoll, der anzeigt, dass es um eine Gewalt/Macht geht, die effektiv und wirksam ist, die tatsächlich Einfluss hat.]

Mittwoch, 21. Mai 2014

851-860

der was geheizen Pêleus.
dâ von her Jûpiter alsus
zuo dirre hôchgezîte spil
luot gotinn unde göte vil.
Der kam dâ hin ein michel schar.
vil manic lîp nâch wunsche gar
gezieret was dar under.
nû möhte iuch nemen wunder,
waz göte wæren bî der zît?
si wâren liute, als ir nû sît,

der Peleus genannt wurde.
Genau deshalb hatte Herr Jupiter
zu diesem festlichen Vergnügen
viele Götter und Göttinnen eingeladen.
Von denen kam eine große Gruppe dorthin.
Eine ganze Reihe davon hatten ihre Körper
so ausgeschmückt, wie man es sich nur wünschen kann.
Nun wundert ihr euch vielleicht,
was damals Götter waren.
Es waren Leute wie ihr es seid.

Dienstag, 20. Mai 2014

841-850

ir hende wâren undertân.
si muosten vliezen unde gân,
als in von ir geboten wart.
si erkande wol ir aller art
und schein gewaltic drinne.
si was ein mergötinne
und ein erweltiu feine.
diu selbe maget reine
wart ze wîbe dô benant
des künges sun ûz Kriechenlant,

ihren Händen untertan waren.
Sie mussten so strömen und fließen,
wie sie es verfügte.
Sie wusste gut Bescheid über all deren Eigenschaften
und sie zeigte sich darin mächtig.
Sie war eine Meergöttin
und eine auserwählte Fee.
Eben diese untadelige Jungfrau
wurde dort zur Ehefrau
des griechischen Königssohns bestimmt,

[Ich übersetze »vliezen unde gân« mit »strömen und fließen«, weil »fließen und gehen« als Übersetzung wohl nicht funktioniert; Abwandlungen davon (»fließen und ihren Weg gehen«) sind mir zu umständlich. Ob man »art« wirklich mit »Eigenschaften« übersetzen kann, wäre zu diskutieren. Ich hatte darüber nachgedacht, mit »Wesen« zu übersetzen, was inhaltlich wohl korrekter wäre, was heute im Deutschen aber eigentlich auch nicht mehr geht.]

Montag, 19. Mai 2014

831-840

an sich vil maniges herzen muot.
si was bescheiden unde guot,
liutsælic, edel unde clâr.
ir lîp, ir güete und ir gebâr
rîlichen wâren vollebrâht.
der Wunsch der hete si bedâht
mit flîze gar, des sît gewis.
si was geheizen Thêtis,
und lac an ir sô grôz gewalt,
daz alliu wazzer manicvalt

zog sie auf sich, damals, und sammelte sie ein.
Sie war verständig und klug,
gerne bei Menschen, dem Adel gemäß und von glänzender Schönheit.
Ihre Gestalt, ihr gutes Wesen und ihr Auftreten
waren auf kostbare Art und Weise gefügt.
Vom Ideal, so wie man es sich vorstellt, wurde sie,
das könnt ihr glauben, mit aller Sorgfalt bedacht.
Genannt wurde sie Thetis
und die Macht, über die sie verfügte,
war so gewaltig, dass alle Formen von Wasser

[Das »guot« im Vers 832 einfach mit »gut« zu übersetzen, scheint mir wenig sinnvoll zu sein (da »gut« heute zu breit ist), deshalb versuches ich es in der Übersetzung mit »verständig und klug«, was eigentlich zwei Mal ein Übersetzungsversuch zu »bescheiden« ist.]

Freitag, 16. Mai 2014

821-830

daz er die clâren swester sîn,
diu lûter was und alsô vin,
wolt einem man ze wîbe geben.
des liez er dô mit wunne leben
vil manigen werden hôhen lîp.
wan ez enwart nie schœner wîp
gesehen stille und über lût,
denn ouch diu keiserlîchiu brût
an lîbe und an gebærde was.
si zôch des mâles unde las

dass er seine schöne Schwester,
die makellos war und sehr kultiviert,
einem Mann zur Frau geben wollte.
Deshalb sorgte er dafür, dass so manche
hochadlige Person, dort mit Lust und Freude verweilen konnte.
Denn immerhin hatte man nie eine schönere
Frau gesehen (ob in aller Stille oder als öffentliches Gesprächsthema),
der die keiserliche Braut nicht
in Aussehen und Auftreten entsprach.
Gar manche Herzensneigungen

[Eigentlich hätte ich gerne einen »leuchtenderen« Begriff für »clâr« als einfach nur »schön«. Der Vers 830 gibt mir Rätsel auf. Hat das »mâl« etwas mit der »Vermählung« zu tun? Etwas mit »Versammlung«? Oder ist einfach »damals, einmal« gemeint? Letzteres scheint mir am plausibelsten zu sein, aber vielleicht klingen im Mittelhochdeutschen auch mehrere Bedeutungsebenen an (beziehungsweise mit).]