Donnerstag, 31. August 2023

18580-18589

daz rîche mac niht veste sîn,

daz milte niht bestætet.

ein boum niht wol gerætet,

der in der wüeste aleine stât.

swenn er dâ liute niht enhât,

die dicke niezent sîne fruht,

sô wirt an im grôz ungenuht

geschepfet und gebildet:

wan er sô gar erwildet,

daz er ze jungest wênic birt


Kein Reich kann stabil sein,

das nicht durch Freigiebigkeit gestärkt wird.

Ein Baum, der allein in einer öden Gegend steht,

kann nicht groß und kräftig werden,

wenn er keine Leute hat,

die sich oft seine Früchte zunutze machen –

denn dann wird er heftig 

wuchern und Unkraut ausbilden,

und schließlich derart verwildern,

dass er letztlich kaum Früchte ausbildet

Mittwoch, 30. August 2023

18570-18579

der dunket mich frum unde quec

und ist mîn kint von rehter art:

swer aber mîne gülte spart

und er belîbet milte vrî,

der wizze, daz er niht ensî

mîn sun von küniclicher ê.

dâ von sô gebent deste mê

der ritterschafte z’aller zît.

dem künige, der ungerne gît,

wie sol dem êre werden schîn?


der scheint mir tüchtig und hoffnungsfroh zu sein –

und der ist mein echtes und rechtes Kind.

Wer aber meinen Reichtum spart

und auf Freigiebigkeit verzichtet,

der soll wissen, dass er nicht

mein Sohn aus königlicher Ehe ist.

Deshalb also: Gebt der Rittscherschaft

stets umso mehr!

Wie kann dem König, der ungern gibt,

Respekt und Ansehen zuteil werden?

Dienstag, 29. August 2023

18560-18569

dem gibe ich hôhen volleist

von silber und von golde.

swer aller meist ze solde

der ritterschefte biutet,

der wirt von mir getriutet

und vür iuch alle gêret.

sich hât mîn hort gemêret

und ist gewahsen lange zît.

swer under iu den allen gît

getürsteclichen sînen wec,


den statte ich mit einem großen Vorrat

an Gold und Silber aus.

Jeder, der der Ritterschaft

das meiste an Sold zahlt,

der wird von mir hochgeschätzt

und von euch allen am höchsten geehrt.

Mein Vermögen hat sich 

seit langer Zeit vermehrt.

Jeder von euch, der ihnen allen 

mutig und beständig etwas gibt, 

Montag, 28. August 2023

18550-18559

mit sper und mit dem schilte

ervehten wil êr unde lant.

des fürsten und des küniges hant

muoz offen z’aller zîte stân,

der grôzin dinc wil ane gân

und sîne vînde twingen sol.

dâ von sô râte ich iu daz wol,

daz ir versmâhent kargez leben.

lânt sehen, wer getürre geben

under iu doch aller meist,


mit Lanze und Schild

Ansehen und Land erkämpfen wollen.

Die Hand des Fürsten und des Königs

muss zu jeder Zeit offen sein,

wenn man Großes leisten

und seine Feinde bezwingen will.

Deshalb rate ich euch,

dass ihr auf Sparsamkeit verzichtet.

Lasst sehen, wer unter euch derjenigen ist,

der am meisten zu geben wagt,

Freitag, 25. August 2023

18540-18549

ez wart sô werlich wâpencleit

vür alle vînde nie geweben,

sô daz ein herre künne geben

und willic machen sîne schar.

swer milte wesen wol getar,

der überwindet alle nôt.

sich wâget maniger in den tôt

durch sînes vrîen herzen gibe

er schepfet wazzer mit dem sibe,

swer âne vrîe milte


Kein Waffenrock wurde je gewoben, 

der gegenüber den Feinden so kampfbereit ist,

wie der, den ein Herr gibt,

indem er den Willen seiner Truppe stärkt.

Alle, die das Wagnis eingehen, Freigiebig zu sein,

die überwinden jede Notlage.

So mancher wagt sich aus freien Stücken – 

durch die Gabe seines freien Herzens – in den Tod,

doch schöpfen all diejenigen mit einem Sieb Wasser,

die ohne unbeschränkte Freigiebigkeit

Mittwoch, 23. August 2023

18530-18539

und si daz beste lêren

mit rede und mit getæte.

sît an ir helfe stæte

und schirmet in êr unde leben.

ir sult in lîhen unde geben,

sô sint si willic ûf den strît.

swer milte ist unde gerne gît,

der wil die vînde swachen.

waz kan die ritter machen

sô vrech als edeliu miltekeit?


und sie mit Rat und Tat

dazu anleiten, das Beste zu tun. 

Seid beharrlich in eurer Unterstützung

und beschützt ihr Ansehen und ihr Leben.

Geschenke müsst ihr ihnen machen, müsst freigiebig sein,

dann ziehen sie bereitwillig in den Kampf.

Jeder, der freigibig ist und gerne gibt,

der wird die Feinde schwächen.

Was kann die Ritter derart mutig machen

als edle Freigiebigkeit?

Dienstag, 22. August 2023

18520-18529

und si mit huote alsô bewar,

daz er sîn lop gewinne.

er pflege ir ûze und inne

mit witzen und mit vrecher hant.

mîn schade iu nâher ist gewant,

dann ieman ûf der erden.

dâ von daz her sol werden

ûf strît von iu gewîset.

die fürsten hôch geprîset

sult ir ze kampfe kêren


und sie achtsam so behüten,

dass ihm das Lob und Ehre einbringt.

Ihr müsst euch rundum um sie kümmern,

mit Verstand und mit tapferer Hand.

Der Schaden, der mir zugefügt wurde, steht euch näher

als irgendjemandem sonst auf der Erde.

Deshalb soll das Heer 

durch euch angeführt werden.

Die hochgelobten Fürsten

müsst ihr in den Kampf führen

Montag, 21. August 2023

18510-18519

ir sît mîn vleisch, ir sît mîn bluot.

dar an nû lît mîn bestiu wer,

dur daz bevilhe ich iu mîn her,

daz mir nû sol ze helfe stân.

ich wil iu machen undertân

mîn volc und mîne ritterschaft.

diu sol beschirmen iuwer craft

sô vlîzeclichen alle wege,

daz iuwer iegelicher pflege

mit sînen creften einer schar


Ihr seid mein Fleisch, ir seid mein Blut.

Auf euch ruht meine Hoffnung – 

und deshalb unterstelle ich mein Heer,

das mir nun bereitsteht, eurem Befehl!

Euch will ich meine Kämpfer und meine Ritter

unterstellen.

Damit sie alle durch eure Befehlsgewalt

stets so achtsam beschützen werden,

soll jeder von euch

mit seiner Befehlsgewalt eine Schar führen