Freitag, 28. Juli 2023

18500-18509

der rede seite im bî der stunt

der künic rîch gnâd unde danc.

dar nâch sô was vil harte unlanc,

ê daz er ûf des sales büne

vür sich besante sîne süne

und er mit in dâ redende wart.

›vil werden kint von hôher art,‹

sprach er dô wider in zehant,

›ich hân iuch her für mich besant

durch helfe und durch getriuwen muot.


Für die Worte dankte ihnen dann

der mächtige König.

Danach dauerte es nur kurz,

bis er auf dem Podium des Saalbaus

seine Söhne zu sich bringen ließ,

um dort mit ihnen zu sprechen.

›Edle, angesehene Kinder‹,

sagte er dann sogleich zu ihnen,

›ich habe euch der Hilfe und Treue wegen 

hierher zu mir bringen lassen,

Donnerstag, 27. Juli 2023

18490-18499

wir lîden, weizgot, iemer

mit iu beid übel unde guot

und rêren durch iuch unser bluot,

swenn iu sîn, herre, nôt geschiht.

des sûment iuch nû langer niht,

vil werder künic wandels vrî!

swaz iuwer muot dar umbe sî,

daz tuont, dâ helfen wir iu zuo,

wan ez ist reht, daz man iu tuo

stæt unde ganze triuwe kunt.‹


Weißgott, wir werden mit euch,

auf ewig durch Dick und Dünn gehen

und vergießen für euch unser Blut,

wann immer das für euch, Herr, sein muss.

Zögert also nicht länger,

edler, tugendhafter König!

Was auch immer euch im Sinn steht,

das tut – wir stehen euch bei,

denn es ist recht und billig, das man euch

treu und fest zur Seite steht.  

Mittwoch, 26. Juli 2023

18480-18489

dâ von si riefen alzehant

gemeine und algelîche:

›vil werder künic rîche,

wir alle sint dar zuo bereit

mit vlîzeclicher arebeit,

daz wir die reise niht ensparn

und mit iu willeclichen varn

biz in den bitterlichen tôt.

uns mac dekeiner slahte nôt

von iu gescheiden niemer.


Deshalb riefen sie sogleich 

alle gemeinsam:

›Mächtiger, edler König,

wir alle sind dazu bereit,

mit Eifer und Anstrengung

die Fahrt zu unternehmen

und bereitwillig wollen wir mit euch

bis in den bitteren Tod ziehen.

Keine Not und Bedrängnis wird jemals

dazu führen, dass wir uns von euch trennen!

Dienstag, 25. Juli 2023

18470-18479

swaz iu gemeine dunket guot,

daz mir daz wol gevalle.

dâ von sô sprechent alle,

waz ir wellent, daz ich tuo,

dâ kêre ich mînen willen zuo.‹

Diu rede in allen wol geviel,

wan ir gemüete in zorne wiel

ûf die von Kriechen starke,

dur daz in was ir marke

von in zerstœret unde ir lant:


dass mir das, was euch allen gut zu sein scheint,

ebenfalls gut gefällt. 

Sagt also nun alle,

was ich eurer Meinung nach tun soll –

und das will ich dann auch ausführen.‹

Was er gesagt hatte, gefiel ihnen allen gut,

da ihre Gemüter heftig mit Zorn erfüllt waren,

auf die Griechen,

weil ihnen durch die Griechen 

Grenzgebiet und Land zerstört worden waren. 

Montag, 24. Juli 2023

18460-18469

diu beide wil ich iemer

mit iu verswenden mîne tage.

ob ez iu allen wol behage,

sô tuont, als ich gesprochen hân.

tumpheit noch witze wirt getân

von mir niemer mêre,

wan der mich iuwer lêre

und iuwer rât berihtet.

ich hân dar ûf geslihtet

mit stæte willen unde muot,


Beides will ich, solang ich lebe,

mit euch gemeinsam aufbrauchen. 

Wenn es euch allen gefällt,

dann tut, wie ich gesagt habe.

Ich werde niemals wieder 

etwas tun, sei es klug oder unklug,

wenn mich nicht eure Lehre

und euer Rat dazu bringt.

Ich habe mein Sinnen und Trachten

fest darauf gerichtet, 

Freitag, 21. Juli 2023

18450-18459

son wil ich niemer tac noch vride

gewinnen mit der Kriechen schar,

ê daz ich in ir lant gevar

und ich gerochen wirde an in.

nû dar! ob ir getriuwen sin

ie gewunnent wider mich,

sô helfent alle mir, daz ich

erküele mînes herzen muot,

durch daz ich weder lîp noch guot

von iu gescheide niemer.


dann werde ich niemals mit den Griechen

Friedensverhandlungen führen oder einen Waffenstillstand vereinbaren,

bevor ich nicht in ihr Land gezogen

und an ihnen meine Rache genommen habe. 

Lasst uns aufbrechen! Wenn ihr mir jemals

treu gewesen seid,

dann helft mir alle dabei, 

mein Herzensleid zu lindern,

und auf ewig wird dann 

sowohl mein Leben als auch mein Besitz mit euch sein. 

Donnerstag, 20. Juli 2023

18440-18449

dâ von wir deste wæger hân

dar in ir lant ze varne.

ê daz man si gewarne,

ê werden si von uns vertriben,

und ist in allen dô beliben

schad unde sorge bitter.

ahŷ, getriuwen ritter,

vrech unde von gebürte vrî,

gestât mir iuwer helfe bî

und iuwer craft und iuwer lide,


Dadurch haben wir einen Vorteil, 

wenn wir in ihr Land ziehen.

Noch bevor man sie hat warnen können,

werden sie von uns vertrieben,

und ihnen allen bleibt dann nur

der Schaden und das bittere Leid.

Auf geht’s, ihr treuen, mutigen,

frei geborenen Ritter!

Wenn mir eure Hilfe zuteil wird,

eure Kraft und eure Hände, Arme, Beine, 

Mittwoch, 19. Juli 2023

18430-18439

ê man des werde an uns gewar,

daz wir in ir lant sîn komen,

ê wirt der schade von uns genomen,

der si muoz in ir herzen

von schulden iemer smerzen

und si tuot sorgenrîche.

si wellent algelîche

belîben dirre vorhte vrî,

daz ieman sô gewaltic sî,

daz er getürre si bestân:


Noch bevor man bemerkt,

dass wir in ihr Land gekommen sind,

werden wir großen Schaden angerichtet haben,

der sie – ganz zurecht – tief im Innern 

auf ewig schmerzen

und sie in tiefe Sorgen stürzen wird. 

Sie alle wollen leben,

ohne Angst zu haben,

dass es jemanden geben könnte, der so mächtig ist,

dass er es wagt, sie anzugreifen.

Dienstag, 18. Juli 2023

18420-18429

ob uns gebûte niemer pfluoc

fünf jâr, doch wolte ich sicher sîn,

daz si brôt, fleisch unde wîn

uns allen gæbe mit genuht.

dâ von sô mügen wir âne fluht

den Kriechen wol gesitzen,

mit kreften und mit witzen

von hinnen kêren alzehant.

wir schiffen heimlîch in ir lant

und machen uns verholne dar.


Und wenn wir auch fünf Jahre lang

nichts mehr anbauen könnten, wäre ich doch sicher,

dass sie uns allen genug an 

Brot, Fleisch und Wein gäbe.

Deshalb können wir ohne fliehen zu müssen

den Griechen widerstehen

und also auch mit Macht und Verstand

sogleich von hier aufbrechen.

Wir fahren heimlich 

und im Verborgenen mit Schiffen in ihr Land.

Montag, 17. Juli 2023

18410-18419

ob wir die vînde niht ensparn

und alter schulde an in gehügen,

sô wizzen, daz wir aber mügen

sitzen ûf gelückes rat.

Troy ist ein alsô werlich stat

an liuten unde an rîcher habe,

daz ich bin gar des zwîvels abe,

daz ieman si gewinne.

och hân wir ouch dar inne

gerætes unde spîse gnuoc.


Wenn wir die Feinde nicht schonen

und ihre alte Schuld nicht vergessen,

dann könnt ihr sicher sein, dass wir erneut

oben auf dem Rad des Glücks sitzen können.

Troja ist eine derart wehrhafte Stadt,

was Menschen und Besitztümer anbelangt,

dass ich keine Zweifel daran habe,

dass niemand sie erobern kann.

Zudem haben wir in der Stadt

genug an Material und Nahrung.

Freitag, 14. Juli 2023

18400-18409

gelücke ist gar ein wildez lôz,

daz dicke walzet an und abe.

sô maniger wænet, daz sich habe

heil unde sælde z’ime geleit,

sô nâhet im unsælikeit

und ein verlüsterîcher schade.

swer hiute sitzet ûf dem rade,

der sîget morne drunder.

uns mac noch heiles wunder

und hôher êren widervarn.


Das Glück ist ein unkontrollierbares Spiel,

das sich hierhin und dorthin wendet.

Viele meinen, dass sich ihnen

Glück und göttliches Heil zugewandt habe,

und doch nähert sich das Unglück

und verhängnisvoller Schaden.

Wer auch immer heute auf dem Rad oben sitzt,

der sinkt morgen unter das Rad hinab.

Uns kann noch großes Heil

und großes Ansehen zuteil werden.