Montag, 30. Juni 2014

1091-1100

geblüemet schône wart alsus.
dar kam der künic Prîamus
von Troye und zwêne sîner süne,
die sâzen ûf der tugende büne
schôn unde werdeclîche enbor:
der eine der hiez Hector
und Elenus der ander;
ir swester hiez Cassander
und was vil hübisch unde wîs:
sô wonte ir bruoder Pârîs

mit großem Renommee schön geziert.
Dorthin kam der König Priamus
von Troja und zwei seiner Söhne;
die saßen auf schöne und würdevolle Weise oben
auf der Bühne der Tugend.
Der eine hieß Hector
und Elenus der andere;
ihre Schwester hieß Cassander
uns war sehr kultiviert und klug.
Während doch ihr Bruder Paris

Freitag, 27. Juni 2014

1081-1090


mit netzen und mit stricken
und hiez ouch mit ir schricken
hirze, rêher unde swîn.
hie sol der zal ein ende sîn
von den götinnen über al.
wer möhte ir namen bî der zal
ze rechenunge bringen,
die zuo dem hove dringen
begunden unde kêren!
Diu hôchgezît mit êren

mit Netzen und mit Stricken
und sie sorgte auch dafür, dass Hirsche,
Rehe und Schweine mit ihr trabten.
Hier soll die Aufzählung der
zahlreichen Göttinnen ein Ende finden.
Wer könnte Rechenschaft über die ganze Anzahl
ihrer Namen ablegen?
Sie, die begannen, sich dem Hof
zuzuwenden und sich dorthin zu drängen.
Das Fest wurde auf diese Weise

[»schricken« hat wohl etwas mit »springen« zu tun; ich versuche, mir mit »traben« zu behelfen, weil »springen« in diesem Zusammenhang meines Erachtens etwas seltsam klänge.]

Donnerstag, 26. Juni 2014

1071-1080

diu der wazzer hete gewalt
und zuo den êren was gezalt,
daz si dâ solte werden brût,
diu lie durch bluomen und dur crût
dâ fliezen einen clâren bach,
der schuof den gesten rîch gemach
ûf dem erwelten plâne.
ein götin hiez Dyâne
und pflac der jegerîe,
diu kam zuo der plânîe

die Macht über das Wasser hatte
und der die Ehre zuteil wurde,
dass sie dort Braut sein sollte,
die ließ dort durch Blumen und durch Kräuter
einen klaren Bach fließen,
der den Gästen auf der wunderbaren Wiese
große Annehmlichkeit bereitete.
Eine Göttin wurde Dyane genannt
und kümmerte sich um die Jägerei.
Die kam auf das Gelände

Mittwoch, 25. Juni 2014

1061-1070

gar lûterlîche ûz ir gewalt,
der mit sîme fluzze kalt
fröut ôren unde sinne.
der bluomen küniginne
geheizen Amadryades
ze hove wielten eteswes,
daz den ougen nütze was.
geströuwet hetens' ûf daz gras
rôsen, vîol unde clê.
Thêtis, ein frouwe von dem sê,

weil sie es vermochten ganz hell und klar,
der mit seiner kalten Strömung  
Ohren und Sinne erfreute.
Die Königin der Blumen,
Amadryades geheißen,
kümmerte sich am Hof um alles das,
was den Augen angenehm war.
Auf das Gras hatten sie
Rosen, Veilchen und Kleeblätter gestreut.
Thetis, eine Dame vom Meer,

[Das »ûz ir gewalt« – also »durch ihre Macht« – übersetze ich etwas anschaulicher mit »weil sie es vermochten«.]

Dienstag, 24. Juni 2014

1051-1060

die minne kêret, war si wil,
diu kam zer hôchgezîte spil
schôn unde werdeclichen ouch.
ein fiurîn vackel âne rouch
schein ûz ir wunneclichen hant.
die frouwen Nâjades genant,
die der fontânen wielten,
ze hove ir stat behielten
mit fröudebernder wunne.
dâ clanc vil manic brunne

die Minne lenkt, wohin sie will,
die kam – reizend und würdevoll –
zu den festlichen Vergnügungen.
Eine brennende Fackel ohne Qualm
leuchtete aus ihrer liebreizenden Hand.
Die Damen, die man Najades nannte,
die auf Quellen und Bäche achtgaben,
blieben am Hof auf ihrem Posten –
ein beglückendes Vergnügen!
Dort erklang gar mancher Brunnen

[Wie soll man die Bemerkung übersetzen, dass Venus »schôn« zum Fest kommt? Ich denke, man müsste nach einem »Allerweltswort« greifen, was ich mit »reizend« versuche. »fontânen« übersetze ich, um das Bedeutungsspektrum anzuzeigen, mit »Quellen und Bäche«. Bei dem Hinweis, dass die Najaden »ir stat behielten«, bin ich mir nicht sicher, was gemeint ist.]

Montag, 23. Juni 2014

1041-1050

mit kostbærlichen tuochen.
von hôher liste buochen
brâhtes' eine bürde,
dar an bewæret würde
ir witze und ir bescheidenheit.
Cêres, ein frouwe vil gemeit,
der tugent aller sæte pflac,
diu fuorte dâ vil manigen sac
mit korne ûf einem soume.
Vênus, diu mit ir zoume

mit kostbaren Stoffen.
Bücher von großer Weisheit
brachte sie in großen Mengen.
Daran zeigte sich ihr Wissen
und ihr Verstand.
Ceres, eine lebensfrohe Dame,
war für die Tauglichkeit allen Saatguts zuständig.
Sie brachte dorthin auf einem Tragtier
so manchen Sack mit Korn.
Venus, die mit ihrem Zügel

Mittwoch, 18. Juni 2014

1031-1040

die Dryades noch sint genant,
die wâren ouch dâ hin besant
und heten brâht vil manic rîs,
daz mit bluote in alle wîs
gezieret was vil schône
und mit der vogele dône
besungen wart rîlîche.
Pallas, diu künsterîche,
ein götinn aller wîsheit,
ze hove wol gezieret reit

die noch immer Dryades genannt werden,
die wurden auch dorthin geschickt
und hatten viele Zweige mitgebracht,
die auf vielerlei Weise
mit Blüten schön geschmückt waren
und vom Gesang der Vögel
herrlich besungen wurden.
Pallas, die kenntnisreiche,
eine Göttin aller Weisheit,
ritt zum Hof, schön zurechtgemacht,

Dienstag, 17. Juni 2014

1021-1030

Diz was ir beste prîsant dô.
des wirtes wîp, vrô Jûnô,
diu schatzes unde guotes wielt
und allen rîchen hort behielt,
diu kam dâ hin gezieret wol.
von silber und von golde vol
brâhte si dar manigen schrîn.
si wolte ir aller frouwe sîn
wan si was dâ wirtinne.
der boume küniginne,

Das war dort das beste Geschenk.
Die Frau des Hausherren, Frau Juno,
die für Gut und Geld zuständig war
und alle großen Schätze in ihre Obhut nahm,
die kam – schön zurechtgemacht – dorthin.
So manche Kiste brachte sie mit,
die voll waren mit Silber und Gold.
Sie wollte die Herrin von ihnen allen sein,
weil sie ja dort Hausherrin war.
Die Königinnen der Bäume,

Montag, 16. Juni 2014

1011-1020

an disen hof kêrt unde zôch.
die götinn aller berge hôch,
Orêades genennet,
schœn unde rîch erkennet
zer hôchgezît sich huoben.
si suochten unde gruoben
gesunde würze reine
und ûz erwelt gesteine:
der zweiger brâhten si dô vil
zuo der hôchgezîte spil.

diesem Hof zuwandte und dorthin reiste.
Die Göttinnen aller hohen Berge,
die Oreades genannt wurden,
und um deren Schönheit und Macht man wusste,
machten sich auf zum Fest.
Sie suchten gesunde,
reine Kräuter, die sie ausgruben,
und erlesene Steine:
Viel von beidem brachten sie
dorthin zu den festlichen Vergnügungen.

Freitag, 13. Juni 2014

1001-1010

ein got, der hiez Neptûne
und erkande wol die lûne
der wazzer und der wilden mer,
dâ von muost er des hoves her
mit schiffen leiten über sê.
der hôhen göte sol ich mê
niht lâzen iuch erkennen.
der feinen wil ich nennen
und der götinnen ouch ein teil,
der manigiu frœlich unde geil

ein Gott, der Neptune genannt wurde
und der die Launen der Wasser
und der wilden Meere genau kannte,
deshalb musste er den Herr des Hofes
mit Schiffen über das Meer geleiten.
Von den hohen Göttern will ich euch
keine weiteren zu erkennen geben.
Von den Feen will ich einige nennen
und auch ein paar der Göttinnen,
von denen sich so manche lustig und fröhlich

Donnerstag, 12. Juni 2014

991-1000

brâhte dar ze stiure.
den hof durch âventiure
wolt er mit wîne blüemen sus.
ein got hiez Eminêus,
der aller briuteloufte wielt,
der kam ouch dar, wan der behielt
sîn stat vil wol dâ under in.
daz heiltuom daz brâht er dâ hin,
dâ man den briutelouft ûf swuor.
ze dirre hôchgezîte fuor

als Gabe mitbrachte.
Damit wollte er, der Abenteuer wegen,
den Hof mit Wein schmücken.
Ein Gott wurde Emineus genannt,
er war für alle Hochzeiten zuständig,
auch der kam dorthin, weil er
seine Stellung unter ihnen gut zu bewahren wusste.
Das Heiligtum, worauf man bei der Hochzeit seinen Schwur ablegte,
das brachte er dorthin mit.
Zu diesem Fest fuhr

[Kann man »walten« mit »zuständig sein« übersetzen? Ich denke, das geht – zumindest dann, wenn es um Götter geht…]

Mittwoch, 11. Juni 2014

981-990

mit brieven und mit mæren.
man sach den helfebæren
dâ gerne bî der stunde,
dur daz von sînem munde
vlôz aller hande sprâche.
des wînes got, her Bâche,
der von êrst erdâhte most,
der kam dâ hin mit rîcher kost,
wan er vil manic fuoder
durch trinken und durch luoder

mit Briefen und Neuigkeiten.
Man sah dort und zu dieser Zeit
den Hilfreichen gerne,
denn aus seinem Mund flossen
allerhand Sprachen.
Der Gott des Weines, Herr Bache,
der sich zuerst den Most ausgedacht hat,
der kam dorthin mit aufwändigen Speisen,
weil er so manche Wagenladung
zum trinken und schlemmen

Dienstag, 10. Juni 2014

971-980

und ir gewalteclich gebot.
Mercurius der werde got,
der alle zungen wol vernam,
der fuor mit êren unde kam
zuo dirre hôchgezîte.
er was erkennet wîte,
wan er was aller göte bote
und seite eim iegelichen gote,
swaz boteschefte in ane gienc.
ein bühse an sînem gürtel hienc

und deren gewaltiges Gesetz beigebracht hatte.
Mercurius, der herrliche Gott,
der alle Sprachen gut verstand,
der war würdig unterwegs und kam
so auch zu diesem Fest.
Er war weit und breit bekannt,
weil er der Bote aller Götter war
und jeder Gott sagte ihm alle
Botschaften, die auszurichten waren.
An seinem Gürtel hing eine ein Behälter

Freitag, 6. Juni 2014

961-970

unfuoge reizen wolte,
daz er daz weren solte
mit kraft und mit gesmîde.
ein got der hiez Cupîde
und was der minne schütze:
der wart dem hove unnütze,
wan er kam dô hin dur bîl
und fuorte bogen unde pfîl,
dâ mite er manigen sêrte,
als in diu minne lêrte

Tumult provozieren wollte,
das würde abwehren können –
mit seiner Kraft und mit geschmiedetem Metall.
Ein Gott hieß Cupide
und war der Liebesschütze:
der brachte der höfischen Versammlung Schaden,
denn er kam dorthin, um den Widerstand zu brechen
und er hatte Pfeil und Bogen bei sich,
mit denen er so einige derart verletzte,
wie es ihm die Liebe

Donnerstag, 5. Juni 2014

951-960

mit latwerjen ûz erkorn,
der man ungerne hæte enborn
zuo dirre hôchgezîte.
her Mars, der aller strîte
mit sîner meisterschefte pflac,
der kam ouch ûf des hoves tac
gewâpent mit den sînen.
er wolte gerne schînen
in stahelringen spiegelvar,
ob ieman in der hoveschar

mit erlesenen Latwergen,
auf die man bei diesem Fest
ungern verzichtet hätte.
Herr Mars, der sich um alle Kämpfe
mit seiner Kunstfertigkeit kümmerte,
auch der kam mit seinen Leuten
in voller Rüstung auf das Hoffest.
Er wollte gerne glänzen,
in blitzeblanken Stahlringen,
damit er, wenn jemand aus der Menge des Hofes

[Sollte man »gewâpent« mit »gewappnet« übersetzen? Die heutige Assoziation geht ja dahin, das Adjektiv im Sinne von »verteidigungs-« oder »kampfbereit« zu verstehen und das ist ja nicht gemeint. Ich entscheide mich für »in voller Rüstung«, wobei dabei verloren gehnt, dass damit auch ein einheitliches und zeichenhaftes Auftreten einhergeht.]

Mittwoch, 4. Juni 2014

941-950

het er gezieret und bereit
nâch küniclicher rîcheit;
wan dâ was michel volle.
dar nâch kam her Apolle
ze hove in einer kurzen vrist,
der aller arzenîe list
von êrst in sînem herzen vant.
sîn apotêke was besant
mit im ûf den grüenen plân,
dâ sach man bühsen inne stân

ließ er schmücken und vorbereiten,
wie es sich für königliche Macht und Pracht gehört,
denn dort gabe es alles im Überfluss.
Sehr bald danach
kam zum Hof Herr Apoll,
der als erster alles Wissen um Heilmittel
in seinem Herzen aufgefunden hat.
Seine Sammlung von Arzneimitteln wurde
mit ihm auf das grüne Feld gebracht.
Man konnte darin Büchsen stehen sehen,

[Die »rîcheit« in Vers 942 habe ich mit »Macht und Pracht« übersetzt, um die beiden zentralen Bedeutungsmöglichkeiten des Wortes abzubilden. »plân« ist eher die »Ebene« als das »Feld«, aber »grüne Ebene« klingt in meinen Ohren ein wenig schief.]

Dienstag, 3. Juni 2014

931-940

und an kunst was vollebrâht,
des wirt besunder hie gedâht,
wan ich entsliuze sîniu dinc.
her Jûpiter, ein ursprinc
aller stolzen hübescheit,
der hete sînen hof geleit
ûf eine wisen liehtgevar:
dâ von was er der êrste dar
zuo dem erwelten brüele.
die tische und daz gestüele

und sich kunstfertig betätigt hat,
wird von mir besonders hervorgehoben,
indem ich seine Errungenschaften präsentiere.
Herr Jupiter – ein Ursprung
aller prächtigen Höfischkeit –,
der ließ seinen Hof
auf einer glänzenden Wiese stattfinden;
Deshalb war er der dort als erster
auf dem erwählten Rasen.
Die Tische und die Sitzgelegenheiten

Montag, 2. Juni 2014

921-930

vil der genôze sîn besant.
ir würde gnuoc von mir genant,
die zuo dem hove kâmen,
wan daz ich gerne râmen
gelimpfes unde fuoge wil:
der rede würde ein teil ze vil,
solt ich ir iegeliche zeln.
ich wil die besten ûz in weln
und ir namen künden.
swer under in an fünden

viele seiner Freunde eingeladen.
Von denen, die an den Hof kamen,
könnte ich sehr viele nennen,
allerdings will ich mich
an Anstand und Höflichkeit halten:
Die Erzählung würde etwas zu lang,
wenn ich alle von ihnen aufzählen müsste.
Ich will die besten von ihnen auswählen
und ihre Namen bekanntmachen.
Jeder von ihnen, der erfinderisch war