Donnerstag, 31. August 2017

7551-7560

und an ir wunneclichen lîp.
ir schœne brach vür alliu wîp,
diu dâ ze lande wâren.
si kunde wol gebâren
und was ze wunsche wol gestalt.
ir minne zôch in ir gewalt
des mâles vil der Kriechen,
die siufzen unde siechen
nâch ir begunden iemer mê.
si tet vil mangem herze wê,

und mit ihrem bezaubernden Körper. 
Ihre Schönheit überragte alle Frauen,
die es dortzulande gab.
Sie wusste, wie man sich gut zu verhalten hat,
und ihr Aussehen entsprach dem Idealbild.
Ihre Liebe überwältigte zu dieser Zeit
viele der Griechen,
die von da an und für immer um sie
sehnsuchtsvoll seufzten und wegen ihr liebeskrank wurden.
Sie tat gar vielen Herzen weh,

Freitag, 11. August 2017

7541-7550

mit antlitz und mit cleide
vil glanzer ougenweide.
Ir bilde lûter unde guot,
daz gap in allen hôhen muot
und jâmers vil dar under;
wan swer daz lebende wunder
ir clârheit und ir minne
bedâhte in sînem sinne,
der wart nâch vröuden ungemeit,
sîn herze wart an si geleit

durch ihr Gesicht und ihr Kleid
eine überaus strahlende Augenfreude.
Ihre vornehme und makellose Gestalt 
schenkte ihnen allen ein Hochgefühl
und zugleich viel schmerzliches Verlangen,
denn jeder, der für sich über das lebende Wunder – 
über ihre Reinheit und ihren Liebreiz –
nachdachte,
der wurde nach der Freude traurig.
Sein Herz wurde mit ihr verbunden

Donnerstag, 10. August 2017

7531-7540

alrêrst an einem morgen vruo,
seht, alsô gie diu frouwe zuo
mit einer vrischen varwe.
si was erwünschet garwe
an lîbe und an gebâre.
Mêdêâ diu vil clâre
lancseime kam geslichen în,
gestreichet als ein velkelîn,
dem sîn gevider ebene lît.
si bar den gesten bî der zît

aus der Knospe schlüpft,
schaut, genau so kam die Dame daher,
mit einer frischen Farbe. 
Sie war, was Körper und Benehmen anbelangt, 
vollkommen perfekt.
Medea, die so hell leuchtende,
schritt langsam herein,
herausgeputzt wie bei einem jungen Falke,
dessen glattgestrichenes Gefieder gleichmäßig anliegt.  
Vor die Augen der Gäste brachte sie damals

[Nochmal jemanden fragen, der sich mit Falknerei besser auskennt…]

Mittwoch, 9. August 2017

7521-7530

gie si dâ stille swîgende
und mit dem houpte nîgende
den gesten algemeine.
liutsælic unde reine
was ir lûter angesiht.
mit worten ich ir sælde niht
durchgründe, noch durglôse.
reht als ein vrischiu rôse,
diu naz von touwe triufet
und ûz der bollen sliufet

ging sie stillschweigend dorthin,
und neigte den Kopf 
vor all den Gästen. 
Rein und makellos
waren ihre klaren Gesichtszüge und ihre Erscheinung. 
Mit Worten kann ich das Heil, das ihr gegeben war,
weder ganz ergründen noch restlos kommentieren.
Ganz so wie eine frische Rose,
die benetzt ist, feucht von Tau, 
und erstmal an einem frühen Morgen

[Da ich mir nicht sicher bin, ob »angesiht« hier lediglich das »Gesicht« meint, übersetze ich mit einer Doppelformel. Bei »sælde« füge ich ein wenig explikative Erläuterung hinzu. Statt »glossieren« schreibe ich (weil es heute geläufiger ist) kommentieren.]

Dienstag, 8. August 2017

7511-7520

und hete drüber ûf geleit
ein schapel eines vingers breit.
daz lûhte z'allen zîten
sô glanz von margarîten,
daz man ze naht gesach derbî.
vor aller missewende vrî
was diu maget wol gesite.
mit einem lîsen engen schrite
kam si dort her geslichen.
schôn unde zühteclichen

und sie hatte darauf einen Reif
gesetzt, der so breit war wie ein Finger. 
Der Reif leuchtete ununterbrochen
so wie Perlen glänzen,
weshalb man damit nachts sehen konnte.   
Die untadelig Jungfrau
war frei von allem Makel.
Leise und gemessenen Schrittes 
schwebte sie daher.
Schön und wohlerzogen    

Montag, 7. August 2017

7501-7510

dur cleiniu löcher glizzen.
got hete sich geflizzen
ûf ir glanzen forme schîn.
ir stuont daz selbe hüetelîn
ze lobelichem wunder
und was ir neckel drunder
sleht unde wîz alsam ein snê.
von vîol und ûz grüenem clê
truoc diu werde künigîn
ein niuwebrochen krenzelîn

durch kleine Löcher funkelten. 
Gott hatte all seine Sorgfalt aufgewendet
auf das Strahlen ihrer glänzenden Gestalt.
Eben dieses Hütchen brachte ihr
lobendes Staunen ein
und darunter war ihr Hälslein
glatt und weiß wie der Schnee.
Einen frisch gebrochenen Kranz 
aus Veilchen und aus grünem Klee
trug die vortreffliche Königin

Freitag, 4. August 2017

7491-7500

diu beide rîch was unde clâr.
ir zopf und ir goltvarwez hâr
daz hetes' an den stunden
gevazzet und gebunden
in ein gestricket hüetelîn,
daz was von sîden alsô vîn,
daz man sô wæhes nie gewan.
daz hâr ûz im schein unde bran
in liehter varwe stæte,
als ob dâ goldes dræte

die sowohl mächtig als auch schön sind. 
Ihren Zopf und ihr goldfarbenes Haar,
die hatte sie an diesem Tag
in ein gestricktes Hütchen
geschlungen und gebunden.
Das Hütchen war aus so feiner Seide, 
dass man kein derart kostbares jemals hätte beschaffen können.
Das Haar leuchtete und loderte aus sich heraus,
in beständiger, glänzender Farbe,
so wie wenn dort Goldfäden   

Donnerstag, 3. August 2017

7481-7490

Jensît dem mer was er geweben.
er schein mit lîsten und mit reben
gezieret wol zen orten
und mit gesteinten borten
an den gelenken umbenât.
der truoc der küniclichen wât
an ir mantel unde roc.
von zobel was ir underzoc,
daz bezzer nie kein vülle wart.
si kam nâch einer frouwen art,

Jenseits des Meers war er gewoben worden.
Er leuchtete, über und über schön geschmückt,
mit Borten und mit Ranken
und mit edelsteinverzierten Bändern,
die oberhalb der Hüfte aufgenäht waren.  
Davon trug sie, von dieser königlichen Kleidung,
am Mantel und am Rock.
Aus Zobel war ihr Unterfutter
und kein Futter war je besser.
Sie kam, so wie es Damen entspricht,

[Zwar halte ich meine Übersetzung für recht plausibel, aber ich bin kein Experte für höfische Kleidung des 13. Jahrhunderts…]

Mittwoch, 2. August 2017

7471-7480

nâch wunsche drîn gesprenget.
sus hete sich gemenget
zuo blâwer sîden rôtez golt.
mit listen was ez drîn geholt
und hete z'ir gesellet sich.
nie purper alsô kostbærlich
wart keines menschen bilde kunt.
ir einer wære siben stunt
mit golde widerwegen sâ,
der veile in funden hæte dâ.

auf perfekte Weise hineingestreut.
Derart wurde 
rotes Gold in blaue Seide gemischt.
Kunstvoll war es hineingebracht worden
und hatte sich zu ihr gesellt.
Nie wurde ein so kostbarer Seidenstoff
zum Gegenstand menschlicher Blicke.
Allein einer davon wäre sofort sieben Mal
mit Gold aufgewogen worden,
hätte man ihn dort jemandem zum Verkauf angeboten.  

Dienstag, 1. August 2017

7461-7470

mit lîbe und mit gewande schreit.
si truoc an ir daz beste cleit,
daz ie von hende wart genât.
in einen blâwen plîât
diu schœne was gesloufet,
dâ wâren în getroufet
von golde tropfen cleine,
die glizzen alze reine
ûz dem rîlichen tuoche blâ.
si stuonden hie, dort unde dâ

und gut ausgestatteter Kleidung, würdevoll gegangen kam.  
Sie hatte das beste Kleid an,
das je mit Händen genäht worden war.
Die Schöne war in einen
blauen Seidenstoff gehüllt,
worin kleine Goldtropfen
hineingeträufelt worden waren,
die außerordentlich klar
aus dem prächtigen blauen Tuch glitzerten.   
Man hatte sie hier und da, hinauf, hinab