Freitag, 30. April 2021

14720-14729

dâ von diuht in ein fremdiu clage,

daz er nâch wîben solte senen

und vrîes muotes sich entwenen,

des er von kindes beine pflac.

ez was ein wunneclich bejac,

den an sich diu minne zôch.

ein jungelinc, der nie geflôch

vor keime grimmen tiere,

der wart von ir dâ schiere

und gæhes überwunden.


Deshalb schien es ihm ein sonderbarer Kummer zu sein,

dass er sich nach Frauen sehnen

und sich seinen Freiheitswillen abgewöhnen sollte,

dem er von Kindesbeinen an gefolgt war.

Es war ein schöner Fang,

den sich die Liebe an Land zog.

Ein junger Mann, der noch nie

vor irgendeinem wütenden Tier geflohen war,

der wurde nun von ihr schnell

und eiligst besiegt. 

Donnerstag, 29. April 2021

14710-14719

der nie durch minneclîchiu dinc

was ze nœten komen ê.

von megden noch von wîben wê

was im nie worden vor der zît.

er kunde in einem walde wît

ein tier vil baz gevellen,

denn ûf den lôn gestellen,

den frouwen minne biutet.

ern hete nie getriutet,

noch gemeinet sîne tage.


er, der noch nie zuvor durch Liebesdinge

in eine Notlage geraten war.

Weder von Mädchen noch von Frauen

hatte er jemals zuvor Leid erlitten.

Er konnte weit besser im weiten Wald 

ein Tier töten

als dem Lohn nachjagen,

den die Liebe der Damen bietet.

Er hatte in seinem ganzen Leben 

nie umarmt und nie geliebt.

Mittwoch, 28. April 2021

14700-14709

daz im der muot durchgründet

von sîner hitze wart zehant

und alsô tobelîche enbrant,

daz er der sinne wart verhert.

ein klac, der ûz dem donre vert,

sô rehte balde nie gesluoc,

sô drâte sich diu minne truoc

in sîn gemüete bî der stunt.

verhouwen und ze tôde wunt

von liebe wart der jungelinc,


dass sein Gemüt von dessen Hitze

sogleich ganz ausgefüllt war

und so heftig entbrannte,

dass ihm all seine Sinne versagten. 

Kein Donnerschlag, der aus einem Gewitter kracht,

war je so schnell unterwegs

wie die Liebe, die

in diesem Moment in ihn hinein kehrte.

Verletzt und tödlich verwundet

wurde der junge Mann durch das Liebesbegehren;   

Dienstag, 27. April 2021

14690-14699

und liez ouch ie dar under

an ir munt die blicke sîn,

der glanz als ein gar lieht rubîn

und als ein rôtiu rôse gleiz.

sîn glast durchliuhtic unde heiz

Achille dur sîn herze bran.

ez warf in unde stiez in an

daz wilde fiur der minne.

daz wart in sînem sinne

sô rehte schiere enzündet,


und er ließ dabei auch

seine Blicke zu ihrem Mund schweifen,

der im Glanz eines hell strahlenden Rubins

und einer roten Rose erstrahlte.   

Seine alles durchdringenden, heißen Strahlen

brannten Achill durch sein Herz.

Ihn schlug und es traf ihn 

das wilde Feuer der Liebe.

Das wurde in seinem Denken und Wollen

so plötzlich entzündet,

Montag, 26. April 2021

14680-14689

an ir lac alliu diu genuht,

der man von spilender wunne gert:

des wart er jâmers vil gewert

durch die vil reinen minne

der glanzen küniginne.

Er nam ir mit flîze war.

ir clâren ougen spiegelvar

dâ liutsæld unde minne

versigelt lâgen inne,

die starte er an ze wunder


Sie hatte alles in Hülle und Fülle,

was man an freudenvoller Anmut und Wonne nur wünschen kann.

Auf diese Weise wurde ihm seine Traurigkeit genommen,

durch den makellosen Liebreiz

der strahlenden Königin. 

Er betrachtete sie aufmerksam.

Ihre strahlenden, spiegelblanken Augen,

in denen Anmut und Liebe

wie mit einem Siegel verschlossen ruhten,

dieses Wunderwerk starrte er an

Mittwoch, 21. April 2021

14670-14679

unz sîn gemüete wilde

wart von ir clârheite zam.

sô glanz und alsô lustsam

diu wunneclîche erlûhte,

daz den juncherren dûhte,

daz nie sô clâres würde niht.

sîn leben und sîn zuoversiht

die wurden beide ûf si gewent.

von grunde wart sîn muot versent

nâch der vil keiserlichen fruht.


bis sein wildes Denken und Fühlen

durch ihre Reinheit zahm geworden waren.

So glänzend und so anmutig

strahlte die Liebenswerte,

dass es dem jungen Herrn schien,

dass es noch nie etwas so Makelloses gegeben habe.

Sein Leben und sein Hoffen –

beides wurde durch sie in Beschlag genommen.

Sein Denken und sein Wollen wurden ganz und gar

von der Sehnsucht nach dem kaiserlichen Kind erfüllt. 


[Jetzt ist aber auch langsam mal wieder gut!]

Dienstag, 20. April 2021

14660-14669

gar inneclichen smerzen

enpfienc er von ir sâ zehant.

enpflammet wart er und enbrant

von ir ougen blicke

und mit ir minne stricke

gebunden und gevangen.

dô si kam êrst gegangen

und ir sîn ouge wart gewar,

dô blicte er dar und aber dar

an ir liutsælic bilde,


Schmerzen, tief im Innersten,

empfieng er von ihr augenblicklich.

Durch die Blicke ihrer Augen wurde er

entzündet und in Flammen gesetzt

und mit den Fesseln ihrer Liebe

wurde er gebunden und gefangen gesetzt.

In dem Moment, in dem sie herbei ging

und sie von seinen Augen erblickt wurde,

da schaute er dorthin und immer wieder dorthin,

zu ihrer liebenswerten Gestalt,

Montag, 19. April 2021

14650-14659

und in gedenke dur si brâht

biz ûf den grunt der sinne.

ir lebendiu süeziu minne

begunde in jâmers nœten

und mit beswærde tœten

sîn frîgez hôchgemüete,

daz in der jugende blüete

mit fröuden stuont geloubet.

er wart von ir beroubet

vil schiere sînes herzen.


und all seine Gedanken wurden durch sie ergriffen,

bis auf den Grund des Denkens und Fühlens. 

Die lebendige, süße Liebe, die sie ausstrahlte,

fing an, seinen Freiheitswillen,

der ihn ganzer Jugendblüte

lebensfroh in vollem Laub stand,

dem Leiden zu unterwerfen 

und ihn schmerzvoll umzubringen.   

Im Handumdrehen wurde er von ihr

seines Herzens beraubt.

Freitag, 16. April 2021

14640-14649

wan swaz ein herze kan erweln

von lebender wunne prîse,

daz truoc an ir diu wîse

und diu keiserlîche maget:

dâ von Achilles wart gejaget

in seneclichez ungemach.

dô der juncherre an ir gesach

die wunderlichen clârheit,

der an si wunder was geleit,

dô wart sîn herze an si verdâht


ich kann nur sagen: Was auch immer sich ein Herz

erwählen kann, an lebendiger, herrlicher Ehre,

das führte die kundige, erfahrene,

die kaiserliche Jungfrau an und mit sich.

Dadurch wurde Achill in einen Zustand

schmerzvollen Leids getrieben.

Als der junge Herr ihre

wunderbare Makellosigkeit erkannte,

mit der sie über alle Maße ausgezeichnet war,

da schloss er sie fest in sein Herz  

Donnerstag, 15. April 2021

14630-14639

ouch lûhte manic edel stein

ûz ir küniclichen wât.

si truoc den besten ziclât,

der ie von golde wart gebriten,

und was ze wunsche der gesniten

nâch ir lîbe wol gestalt.

diu sælde was sô manicvalt,

der ein wunder an ir lac,

daz ich mit rede niht enmac

ir lop entsliezen noch gezeln,


Auch blitzten viele Edelsteine

aus ihrer königlichen Kleidung hervor.

Sie trug den besten golddurchwirkten Seidenstoff,

der je aus Gold gewebt worden war,

und er war perfekt nach ihrem 

wohlgeformten Körper geschnitten.

Das göttliche Heil war so vielfältig

ihr zugute gekommen,

dass ich mit Worten ihre Würdigung

weder darlegen noch umfassend erzählen kann; 

Mittwoch, 14. April 2021

14620-14629

der Wunsch der het an si geleit

vür alle megde sînen vlîz.

ir wandel und ir itewîz

die wâren alze cleine.

Pallas diu was ein feine,

der hôchgezît man dâ begie.

diu selbe wart sô lûter nie,

noch sô clâr, noch alsô vîn,

sô dise erweltiu künigîn

an herzen und an lîbe schein.


Die Vollkommenheit hatte sich ihrer 

mehr als aller anderen jungen Frauen angenommen.

Bei ihr gab es keine 

Untreue und nichts zu tadeln.

Pallas, das war eine Fee,

deren Fest man dort feierte.

Gegenüber dieser auserwählten Königin,

die mit Herz und Leib glänzte, 

war diese Fee nie derart rein

noch derart makellos noch derart schön.

Dienstag, 13. April 2021

14610-14619

als einen mânen vollekomen,

der für alle sternen glanz

sîn lieht durchliuhtic unde ganz

kan breiten unde mêren.

nâch vollenclichen êren

ir iegelîchiu lûter was,

doch schein ir aller spiegelglas

diu reine wandels vrîe.

si was Dêîdamîe

genennet, als ich hân geseit.


so wie ein voller Mond,

der sein Licht kraftvoll und alles durchstrahlend

über den Glanz aller Sterne

ausbreiten und entfalten kann.

Jede von ihnen war rein

und makellos und lobenswert in jeder Hinsicht;

doch strahlte die eine, gänzlich untadelige,

als spiegelten sich in ihr alle anderen.

Sie hieß, ich habe es schon gesagt,

Deidamie.

Montag, 12. April 2021

14600-14609

daz was ir flîzes bürde.

Si wâren alle wunnevar,

wan daz ir eine ir aller schar

mit ir clârheite mahte blint,

diu was ein maget und ein kint

sô schœner und sô reiner art,

daz nie sô schœnes niht enwart

noch sô reines nie gesehen.

man sach si liuhten und enprehen

vür alle ir swester ûz genomen


das war der Anlass und die Herausforderung ihrer emsigen Tätigkeit.

Sie alle boten einen wunderbaren Anblick,

allerdings gab es eine, die die ganze Gruppe

mit ihrem Glanz überstrahlte.

Diese war ein Kind, eine Jungfrau,

von so schönem und makellosem Wesen,

dass weder so etwas Schönes

noch etwas derart Makelloses je erblickt wurde.

Man sah sie hervorleuchten und unter all 

ihren außerordentlichen Schwestern hervorstrahlen,

Donnerstag, 8. April 2021

14590-14599

ir iegelîchiu dûhte

sô rehte lûterbære,

daz si gewesen wære

mit êren ein götinne.

die glanzen küniginne

brâchen vîol unde clê.

ir hende wîz alsam ein snê

die pflâgen der unmüezikeit.

daz wol geblüemet und becleit

daz tempel von in würde,


Jede von ihnen 

machte einen so makellosen und reinen Eindruck,

dass sie eine hochangesehene

Göttin hätte abgeben können.

Die strahlenden Königinnen

pflügten Veilchen und Klee. 

Ihr Hände, weiß wie Schnee,

waren sehr beschäftigt.

Den Tempel würdevoll

mit Blumen zu zieren und einzukleiden,

Mittwoch, 7. April 2021

14580-14589

si brâchen liehter bluomen vil

und glanzer rôsen wunneclich,

dâ mite si den esterich

des tempels wolten zieren.

man wolte festivieren,

dâ von wâren si gemeit.

si truogen alle rîchiu cleit

von mangerleie purper an,

der von ir lîben schône bran

und wunneclîche erlûhte.


Sie pflückten viele leuchtende Blumen

und wunderschön glänzende Rosen,

um damit den Boden

des Tempels zu schmücken.

Festivitäten waren angesagt

und dem fieberten sie freudig entgegen.  

Sie alle trugen prächtige Kleidung

aus kostbaren Seidenstoffen,

durch die sie wie Feuer glühten

und wunderschön erstrahlten.

Dienstag, 6. April 2021

14570-14579

gezieret wol in widerstrît

kam der liehten megde schar

dur eine wisen wunnevar

gegangen vil gemeine.

mit golde und mit gesteine

sô wâren si gegestet.

als ein gestirne glestet,

sus kâmens’ alle glîzende

und sich gemeine flîzende

ûf maniger hande wunne spil.


Es kam die Schar der strahlenden Jungfrauen

– eine schöner geschmückt als die andere –

und gemeinsam gingen sie 

durch eine wunderschöne Wiese.

Mit Gold und Edelsteinen

waren sie geschmückt.

So wie ein Gestirn glänzt und strahlt,

so kamen sie alle leuchtend daher

und beschäftigten sich gemeinsam

mit vielerlei liebreizendem Scherz und Spiel. 

Donnerstag, 1. April 2021

14560-14569

man brâhte ir unde holte

dar in daz tempel wol erkant

vil mangen schœnen prîsant

und opfers ein vil michel teil.

wîp unde man die wâren geil

dar inne dô mit schalle.

des künges tohter alle,

der ich gedâht hie vorne hân,

die sach man ouch von hûse gân

hin zuo dem tempel bî der zît.


Man gab und brachte ihr

in den weithin bekannten Tempel

zahlreiche schöne Geschenke

und Opfergaben in großer Menge.

Hörbar war die Freude der 

Männer und Frauen im Tempel.

Auch konnte man alle Töchter des Königs,

die ich vorhin schon erwähnt habe,

sehen, wie sie in diesem Moment von zuhause 

hin zum Tempel gingen.