Montag, 30. Juni 2025

23100-23109

dô wart sîn muot erhœhet

unde erfröut daz herze sîn.

die frouwen lûter unde fîn

begunde er schône grüezen,

er hiez die clâren süezen

im und den göten ûz erlesen

vil tiure willekomen wesen

und bôt ir werdeclîche zuht.

er nam die keiserlîche fruht

lieplichen under sînen arm.


da geriet er in Hochstimmung

und war von Herzen froh. 

Die makellos schöne Dame

grüßte er freundlich

und mit großem Anstand

hieß er die strahlend süße Frau

herzlich willkommen, in seinem Namen

und im Namen der edlen Götter.

Liebenswürdig hakte er sich 

bei dem kaiserlichen Kind unter

Freitag, 27. Juni 2025

23090-23099

daz Helenâ dô wære

geroubet von der hende sîn.

er tete im sîn gelinge schîn

und al sîn âventiure kunt

mit rede gar biz ûf den grunt.

Prîant der künic wîse

nû daz er von Pârîse

vernam diu lieben mære,

daz allen Kriechen wære

Helêne alsus enpflœhet:


dass Helena durch ihn

dort geraubt worden sei. 

Er erzählte ihm in allen Details,

wie ihm das gelungen war

und welche Schwierigkeiten zu überwinden waren.

Als nun Priamus, der weise König,

von Paris 

die freudige Nachricht erhielt,

dass und wie Helena den Griechen

geraubt wurde, 

Donnerstag, 26. Juni 2025

23080-23089

wan si fuorte Enêas

und pflac ir ûf der strâze

in alsô rîcher mâze,

als ez ir êren wol gezam.

Prîant der künic lobesam

Pârîsen minneclîche enpfie.

der seite im ûf ein ende, wie

sich heten sîniu dinc getragen.

betiuten und ze rehte sagen

begunde er im diu mære,


denn sie wurde von Eneas geführt

und er kümmerte sich auf dem Weg

mit überaus großem Aufwand um sie,

so wie es ihrem Ansehen gebührte. 

Priamus, der angesehene König,

empfieng Paris liebevoll.

Der erzählte ihm ausführlich, wie

es ihm ergangen ist.

Ordentlich erzählte er ihm die Geschichte

und erklärte ihm,  

Mittwoch, 25. Juni 2025

23070-23079

der von dem almehtigen gote

wær in daz lant gesendet.

ahŷ, waz dâ verendet

mit rede und mit gedenken wart

von der liutsæleclichen art,

die man kôs an ir bilde!

reht als ein wunder wilde

wart ir lîp gekapfet an.

geriten kam si dort her dan

vil sanfte als ir gemæze was,


der vom allmächtigen Gott

in das Land geschickt worden sei.

Ach, wie viele Reden dort geschwungen

und wie viele Gedanken dort gedacht wurden,

wegen der Anmut,

die man an ihr und ihrer Gestalt erblickte!

Wie ein noch nie gesehenes Wunderwerk

wurde ihr Körper angestarrt. 

Sie kam in ruhigem, gemessenem Tempo

dorthin geritten, so wie es sich für sie gehörte, 

Dienstag, 24. Juni 2025

23060-23069

si kunde frouwen unde man

ir sinne dô berouben.

man wolte des gelouben,

daz menschlich crêatiure

nie würde sô gehiure,

noch sô kürlich als ir lîp.

man hete si niht für ein wîp:

man wânde, daz si wære

ein engel wunnebære

und ein durchliuhtic himelbote,


Sie war in der Lage, Damen und Männern

den Verstand zu rauben.

Man war bereit zu glauben,

dass niemals ein menschliches Wesen

so liebenswert 

und so auserwählt sein könne, wie sie.

Man hielt sie nicht für eine Frau –

man meinte, dass sie 

ein lieblicher Engel sei

und ein strahlender Himmelsbote, 

Montag, 23. Juni 2025

23050-23059

sô lûter noch sô wæhe,

sô die vil clâren künigîn.

si gap sô liehtebernden schîn

und was ir dinc als ûz erkorn,

daz die von Troie wol gesworn

des heten algemeine,

daz in diu sunne reine

mit spilender fröude engegen schine.

si kêrten zuo z’ir alle hine

und sâhen si ze wunder an.


die so makellos und so zierlich war

wie die herrliche Königin.

Sie leuchtete so strahlend

und war so rundum außergewöhnlich,

dass die Trojaner wohl alle zusammen

geschworen hätten,

dass ihnen die strahlende Sonne

mit vergnüglicher Freude entgegengeschienen hätte.

Alle wendeten sich ihr zu

und sahen sie an, als sähen sie ein Wunder.

Freitag, 20. Juni 2025

23040-23049

wan er begunde enpfâhen

den süezen werdeclîche.

sîn muot was fröudenrîche

von sîner kunft, des bin ich wer,

nû daz Helêne kam dort her

geriten mit Pârîse.

nû si Prîant der wîse

und al sîn hofgesinde sach,

weizgot, dô dâhte er unde jach,

daz er nie wîp gesæhe


und so war er es, 

der den Süßen, Edlen in Empfang nahm.

Voll von Freuden war sein Gemüt

durch dessen Ankunft, das kann ich garantieren,

als nun Helena dort mit Paris

herangeritten kam.

Als nun der weise Priamus

und seine Hofgesellschaft sie sahen,

weißgott, da dachte er und bekannte,

dass er nie eine Frau gesehen habe, 

Donnerstag, 19. Juni 2025

23030-23039

beswærde und aller sorgen vrî

si bêde fuoren dannen.

Prîant mit sînen mannen

von ir künfte wart gemeit.

drî mîle er in engegen reit

mit rittern und mit frouwen.

Pârîsen liez er schouwen

und wolte in werden lân gewar,

daz in sîn ougen liehtgevar

gar willeclichen sâhen,


Frei von Kummer und Sorgen

zogen die beiden davon.

Priamus und seine Männer

waren über ihre Ankunft froh.

Drei Meilen ritt er ihnen entgegen,

mit Rittern und mit Damen.

Er zeigte Paris

und wollte auch, dass er das merkte,

dass ihn Priamus’ strahlende Augen

sehr gerne und bereitwillig sahen,

Mittwoch, 18. Juni 2025

23020-23029

ros unde wunneclîchiu phert

diu wâren in bereit zehant,

wan si wolten über lant

ze Troie bî den zîten

von dannen gerne rîten.

Ouch het Helêne ir bestiu cleit

des mâles an ir lîp geleit

und was gezieret alsô wol,

daz man gesehen niemer sol

ein wîp, diu baz gegestet sî.


Streitrösser und schöne Pferde

wurden ihnen sogleich bereitgestellt,

denn sie wollten dann gerne

von dort gleich

über Land nach Troja reiten.

Auch hatte Helena nun

ihre besten Kleider angezogen

und war so gut zurechtgemacht,

dass man nie wieder eine Frau 

wird sehen können, die sich besser schick gemacht hat.

Dienstag, 17. Juni 2025

23010-23019

ir blicke fuoren tougen

dar unde dan, hin unde her.

si truogen herzeclîche ger

z’ein ander ûf dem wilden sê.

sus wâren si, waz sol des mê,

ze Troie komen schiere.

nû si die lantriviere

mit der gesihte ruorten,

ir kiele si dô fuorten

frœlichen hin ze stade wert.


Ihre Blicke wanderten heimlich

dahin und dorthin – hin und her.

Auf dem wilden Meer

begehrten sie einander von Herzen, 

Auf diese Weise waren sie, um es nicht zu lang zu machen,

bald nach Troja gekommen.

Als nun ihre Blicke 

das Land trafen, 

führten sie ihre Schiffe

fröhlich hin zum guten Landeplatz. 

Montag, 16. Juni 2025

23000-23009

güetlîche und minneclichen an. 

In was vil herzeclichen wol.

si wâren hôher wunne vol

des nahtes worden beide,

dâ von ir ougenweide

wart süeze in manige wîse.

Helêne wart Pârîse

ein glanzer spiegel ûz erkorn:

Pârîs enwas ouch niht ein dorn

Helênen in ir ougen.


freundlich und liebevoll an.

Es ging ihnen hervorragend,

war doch ihnen beiden 

in der Nacht hohe Lust zuteil geworden,

sodass ihre Blicke, die sich am Gegenüber weideten,

in vielerlei Weise süß geworden waren. 

Für Paris war Helena

ein hervorragender, glänzender Spiegel;

und Paris war auch nicht gerade 

ein Dorn in Helenas Augen.