Donnerstag, 31. Juli 2025

23310-23319

owê, daz man der fröude gert,

diu sich mit jâmer endet.

zervüeret und verswendet

wirt hie ze Troie manic sal

dur disen hovelichen schal,

der sich nû leider hât erhaben.

vil manic herze wirt begraben

in grundelôser nœte gar,

vil manic wange rôsenvar

wirt betrüebet unde bleich


Oh weh, dass man Freude sucht

und stattdessen Leid und Jammer findet.

Viele Hallen und Gebäude

hier in Troja werden zerstört werden

durch dieses höfische Getöse,

das nun leider hier veranstaltet wird.

Zahlreiche Herzen werden

in nie enden wollender Not versinken;

zahlreiche rosenfarbene Wangen

werden trüb und bleich,

Mittwoch, 30. Juli 2025

23300-23309

hie wirt vil manic fuoder

von bluote noch verrêret

und manic lîp versêret

dur disen veigen briutelouft.

diu minne tiure wirt gekouft,

der Pârîs und Helêne pfliget.

ein trûren si noch wider wiget,

daz niht gebüezet werden mac

biz an den jungestlichen tac

und iemer êweclichen wert.


Viele Wagenladungen an Blut

werden hier noch verschüttet werden

und viele Körper verwundet

durch dieses dem Tod geweihte Vermählungsfest.

Die Liebe wird teuer erkauft,

die zwischen Paris und Helena herrscht.

Trauer und Traurigkeit werden ihr Gegengewicht sein,

und das wird man nicht aufwiegen können

bis an den Jüngsten Tag

und bis in alle Ewigkeit. 

Dienstag, 29. Juli 2025

23290-23299

owê der ougenweide,

der manic lîp hie wirt gewon,

sô der turn Îlîon

zerstœret wirt von grunde

und manic tiefe wunde

hie werden muoz geschrôten.

hei, waz ich armiu tôten

muoz schouwen unde kiesen!

owê, daz ich verliesen

sol mîne werden bruoder!


Verflucht sei der Anblick,

an den sich viele hier werden gewöhnen müssen,

wenn Ilion, der Turm,

bis auf die Grundmauern zerstört wird

und hier viele tiefe Wunden

geschlagen und gehauen werden.

Ach, was werde ich Arme an

Toten sehen müssen!

Oh weh, dass ich 

meine edlen Brüder werde verlieren müssen!

Montag, 28. Juli 2025

23280-23289

sô man in strenge marter an

und engestlichen schaden tuot!

hie wirt ir edelez tiurez bluot

erbermeclîche fliezende

und allenthalp begiezende

die strâze und ouch die gazzen.

ich wil die fröude hazzen,

die man vor mir hie stiftet.

betrüebet und vergiftet

wirt si mit herzeleide.


wenn man sie heftig martert

und ihnen schreckenerregenden Schaden zufügt!

Ihr edles, wertvolles Blut wird hier

fließen, es wird zum Erbarmen sein,

wenn es überall über

die Straßen und Gassen läuft.

Ich will die Freude hassen,

die man hier vor mir besiegelt. 

Mit tiefem Leid wird sie

betrübt und vergiftet werden.

Mittwoch, 23. Juli 2025

23270-23279

verderbet âne lougen

unde ir bluot muoz hie verschüten!

ob ez die göte mir gebüten,

sô wolte ich gerne sterben ê,

dur daz ich niht daz grimme wê

müest an ir lîbe schouwen.

ahlês, ir frîen frouwen

unde ir hôchgebornen wîp,

waz sol sich iuwer reiner lîp

genieten swære umb iuwer man,


töten wird

und deren Blut man hier vergießen wird!

Wenn es die Götter veranlassen würden,

so würde ich lieber zuvor sterben,

damit ich nicht das schreckliche Leid

sehen müsste, das ihnen zugefügt werden wird.

Oh welch Leid, ihr freien Damen

und ihr hochgeborenen Frauen, – 

was werdet ihr an Leid und Kummer

wegen eurer Männer erleiden,   

Dienstag, 22. Juli 2025

23260-23269

dur die beswærde grimme,

die manic herze lîdet.

sô man ze tôde snîdet

mit swerten unser liute,

sô müezen wir der briute

engelten alsô sêre.

owê mir iemer mêre!

waz muoz ich jâmers dulden

von mîner mâge schulden,

die man vor mînen ougen


die von schrecklichem Leid klagen,

das so manches Herz erfahren wird.

Wenn man mit Schwertern unsere Leute

totsticht,

dann müssen wir schmerzlich

für die Braut bezahlen.

Oh weh, auf ewig oh weh!

Wie viel Jammer muss ich erdulden

wegen meiner Verwandten,

die man, glaubt mir, vor meinen Augen

Montag, 21. Juli 2025

23250-23259

sô man die stat beginnet sehen

zerbrochen und zervallen?

diu hôchgezît uns allen

muoz komen gar ze sûre.

die porten und die mûre

zerstœret man dur die geschiht,

daz man Pârîsen hiute siht

hie mit Helênen briuten.

man hœret noch erliuten

vil jæmerlîche stimme


wenn man erst die Stadt

zerstört und vernichtet sieht?

Die Hochzeit wird uns allen

noch bitter aufstoßen.

Die Tore und die Stadtmauer

wird man zerstören,

weil man Paris hier und heute

mit Helena sich verheiraten sieht.

Man wird noch viele

jammervolle Stimmen hören,

Freitag, 18. Juli 2025

23240-23249

und lie vil strenge jâmersuht

an ir beschouwen über lût.

si zarte ir rœselehte hût

ab ir wangen und daz vel.

ir hâr alsam ein sîde gel

ûz der swarten si dô brach.

si rief mit jâmer unde sprach:

›ach mir armen unde owê!

wâfen hiute und iemer mê!

waz sol ze Troie noch geschehen,


und zeigte unüberhörbar

ihr überaus heftiges Wehklagen.

Sie riss ihre rosenfarbene Haut

von ihren Wangen und ihrem Körper.

Und ihr Haar, gelb wie Seide,

zerrte sie aus der Kopfhaut.

Sie rief klagend und sagte:

›Ach, ich arme und oh weh!

Wir brauchen Hilfe, heute und für alle Zeit!

Was wird mit Troja passieren, 

Donnerstag, 17. Juli 2025

23230-23239

diu wîssagîn Cassander,

des künges tohter reine,

was trûric alters eine. 

Sich fröute dâ man unde wîp

biz an ir wunneclichen lîp,

wan si weste wol den schaden,

der ûf Troie sît geladen

wart von dem briuteloufte.

des sluoc sich unde roufte

diu werdiu küneclîche fruht


Einzig die Weissagerin Cassandra,

die edle Tochter des Königs,

zeigt sich traurig.

Alle zusammen, Männer und Frauen, 

freuten sich, nur die Schöne nicht,

denn sie kannte den Schaden,

unter dem durch die Hochzeit 

Troja zukünftig zu leiden habe.

Deshalb schlug sich die edle Königstochter

und raufte sich die Haare 

Mittwoch, 16. Juli 2025

23220-23229

swaz ieman vröuden gerte,

diu vant er dâ mit voller craft.

ez wart sô ganze wirtschaft

nie beschouwet noch bekant,

sô man zer hôchgezîte vant,

diu ze Troie dâ geschach.

dâ funden küneclich gemach

die kunden und die geste.

vröud unde wunne veste

si truogen mit ein ander.


Alle Freuden, die jemand verlangte,

die fand er dort in Hülle und Fülle.

Eine derart umfassende Bewirtung

wie es sie dort in Troja

bei dem Fest gab,

hat man nie gesehen und man hat nie von ihr gehört.

Annehmlichkeiten, wie sie sonst Königen zuteil wurden,

genossen dort die Einheimischen und die Gäste.

Freude und großen Genuss

hatten sie dort alle miteinander.

Dienstag, 15. Juli 2025

23210-23219

ich wæne, daz der selbe site

noch in der heidenschefte wer,

dâ von Pârîs mit reiner ger

nâch der gewoneheite fuor.

nû daz der jungelinc geswuor

Helênen ganze stæte

und si gemahelt hæte,

dô wart ein hôchgezît gemaht

unde ein hof, der siben naht

mit hôhen êren werte.


Ich nehme an, dass bei den Nicht-Christen 

dieser Brauch damals noch herrschte, 

an den Paris sich ohne böse Absichten

hielt, so wie man es eben gewohnt war. 

Als nun der junge Mann

Helena die Treue geschworen 

und sie geheiratet hatte,

da wurde eine Hochzeit gefeiert

und Hof gehalten mit aller Pracht, 

was sieben Nächte dauerte.